Untergrundkrieg
Pfeiler. Herr Okazawa hielt die Plastiktüten auf, ich bückte mich und stopfte das Zeitungspapier hinein. Was es war, wusste ich nicht, aber es war mit einer öligen Substanz durchtränkt. Da der Fahrtwind der Bahn es nicht bewegt hatte, war es wahrscheinlich ziemlich schwer. Herr Hishinuma kam uns helfen, und wir stopften nun zu dritt die Zeitungen in Plastiktüten. Anfangs hielt ich es für Kerosin, obwohl es nicht danach roch, und auch nicht nach Benzin. Der Geruch ist schwer zu beschreiben.
Ich habe das erst später gehört, aber der Geruch war Herrn Okazawa offenbar so unerträglich, dass er sein Gesicht abgewandt hielt. Ich fand ihn auch ziemlich widerlich. Früher habe ich mal eine Einäscherung auf dem Land erlebt, daran erinnerte mich der Gestank, oder an eine tote Ratte. Eben ziemlich durchdringend.
Ich weiß nicht mehr, ob ich Handschuhe anhatte. Zur Sicherheit habe ich zwar immer welche dabei, aber mit Handschuhen kann man Plastiktüten so schlecht öffnen. Daher habe ich wohl keine getragen. Außerdem hat mir Herr Okazawa später erzählt: »Sie haben mit bloßen Händen gearbeitet, Herr Toyoda, und das Zeug ist von Ihren Fingern getropft.« Später habe ich gehört, dass das im Endeffekt sogar gut war. Handschuhe hätten sich mit Sarin vollgesaugt, das ich dann mit mir herumgeschleppt hätte. An meinen bloßen Händen dagegen ist es abgelaufen.
Nachdem wir die Zeitungen in Tüten gepackt hatten, war immer noch von dem kerosinartigen Zeug auf dem Bahnsteig. Damals fürchtete ich, es könnte explodieren. Aus Tsukiji hatte man etwas von einer explosiven Substanz gemeldet, und nur wenige Tage davor, am 15. März, war ein präparierter Attachékoffer auf unserer Station gefunden worden, der auch von Aum dort plaziert worden sein soll. Er enthielt Botulinus-Erreger. Der Stationsgehilfe, der den Koffer aus dem Mülleimer holte und vorübergehend zu einer unbelebten Fahrkartensperre brachte, glaubte, sein letztes Stündlein hätte geschlagen.
Wegen meines Berufs sage ich immer zu meiner Frau: »Denk dran, dass ich vielleicht eines Tages nicht mehr nach Hause komme.« Man weiß nie, was auf dem Bahnsteig passieren kann. Jemand setzt Sarin frei, oder einer zieht im Streit das Messer. Oder ein Verrückter kommt von hinten und stößt einen Stationsbeamten auf die Gleise. Und wenn wir eine Bombe finden, kann ich auch nicht einfach zu einem Untergebenen sagen: »Kümmern Sie sich mal darum.« Das mag an meinem Charakter liegen, aber so was muss ich selber tun.
Wir benutzten transparente Mülleimerbeutel. Während wir überlegten, wo wir sie möglichst rasch deponieren könnten, vergaßen wir wahrscheinlich, sie oben zuzubinden. Herr Okazawa und ich brachten sie ins Büro. Herr Takahashi blieb auf dem Bahnsteig, um weiter sauber zu machen.
Im Büro wartete Herr Sugetani, dessen Schicht gerade anfing. Inzwischen zitterte ich am ganzen Körper. Ich versuchte, den Fahrplan zu lesen, aber die Zahlen verschwammen mir vor den Augen. Herr Sugitani sagte: »Ich rufe für Sie in der Zentrale an.« Vorläufig lehnte ich die Tüten gegen einen Stuhl im Dienstraum.
Während ich die Tüten in den Dienstraum gebracht hatte, war der A 725 K weitergefahren. Man hatte die verdächtigen Objekte beseitigt, die Wagen ausgewischt und den Zug einfach weiterfahren lassen. Das gehörte zu Herrn Hishinumas Zuständigkeitsbereich. Wahrscheinlich hatte er sich mit der Zentrale in Verbindung gesetzt und die Anweisung erhalten, den Zug bis zur nächsten Haltestelle weiterfahren zu lassen.
Herr Takahashi hat immer ganz vorne am Kopf des Zuges auf dem Bahnsteig gestanden. Mit Sicherheit hat er sofort gehandelt, als ein Fahrgast ihn auf »etwas Komisches im Zug« hinwies. Ich war natürlich nicht dabei, aber höchstwahrscheinlich hat Herr Takahashi es selbst in die Hand genommen, das Zeug nach draußen zu schaffen. Schließlich war er am nächsten dran.
Auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig ist eine Mülltonne, aus der er sich vermutlich die Zeitungen geholt hat, um den Boden im Zug aufzuwischen. Er und Herr Hishinuma. Nachdem Herr Hishinuma dem Fahrer seine Anweisungen gegeben hat, haben die beiden wahrscheinlich den Boden gewischt. Wenn ein Lappen in der Nähe gewesen wäre, hätten sie den natürlich benutzt, aber so blieb ihnen in der Eile nur das Zeitungspapier. Schließlich war Hauptverkehrszeit, und die Bahnen fuhren in einem Abstand von nur zwei bis drei Minuten.
Nach einem Blick auf die Uhr im Büro überlegte ich, ob ich rasch
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