Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Untergrundkrieg

Titel: Untergrundkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
gelernt als die meisten. Ich hatte Glück und wurde mit zwanzig Profi. Natürlich habe ich auch ein paar Unfälle gehabt – sieben-, achtmal Rippen gebrochen, einmal das Brustbein angeknackst, die Schulter ausgekugelt, aber Gott sei Dank nichts Ernstes.
    1979 habe ich aufgehört und wurde Manager eines Trainingszentrums mit 1500 Pferden in Irland. Ich war für die Anlagen zuständig – das Gelände, die Bahnen, die Koppeln. In meiner Freizeit und nach Feierabend kümmerte ich mich noch um ein Ausbildungszentrum für angehende Jockeys, das RACE – Racing Apprentice Centre of Education. Zweimal die Woche ging ich dorthin und schaute mir mit den Jungen Videos von Rennen an. Tagsüber hatte ich ab und zu ein Auge auf sie, wenn sie ritten, und sprach anschließend mit ihnen darüber.
    Der Japanische Reitsportverband unterhält Beziehungen zu RACE . Daher habe ich viele Japaner kennen gelernt und mit ihnen über meine Erfahrungen gesprochen. Ich hatte keine Ahnung vom Pferderennen in Japan, aber die Japaner haben mich trotzdem als Trainer angeworben.
    So bin ich im März 1992 nach Japan gekommen, um mir das Trainingszentrum anzuschauen, und habe auch die Rennbahnen in Miho und Mito besucht. Ich war in Utsunomiya und Tokyo. Die Anlagen haben mich sehr beeindruckt. Japan ist ein so schönes Land, und alle waren so nett zu mir. Nach zwei Wochen fuhr ich nach Irland zurück und sagte allen, dass ich mich entschlossen hätte, eine Stelle in Japan anzunehmen. Die waren vielleicht überrascht! ( Lacht ).
    In den vier Jahren, seit ich in Japan bin, hat sich einiges geändert. Der Standard der Pferderennen hat sich ungemein verbessert. Ehrlich gesagt, ich fand am Anfang alles ziemlich veraltet. Die jungen Reiter sind jetzt viel inspirierter, haben mehr Phantasie. Dennoch bin ich der Meinung, dass sie sich noch mehr verbessern könnten, wenn sie kommunikativer mit den Pferden umgingen, aber das ist wahrscheinlich kulturell bedingt.
    Also, am 20. März, dem Tag des Anschlags, war ich in Tokyo. Es war nämlich St. Patrick’s Day. Kennen Sie bestimmt, oder? Der höchste irische Feiertag. Am Freitag den 17. haben sich alle Iren in der Irischen Handelsvertretung in Tokyo auf der Omotesando versammelt, getanzt und gefeiert. Ich habe dort übernachtet. Es ist jedes Jahr das Gleiche. Ich gehe auf die Party und übernachte in der Irischen Handelsvertretung.
    Am Samstag habe ich bei Freunden in Setagaya übernachtet. Am Sonntag findet die Parade auf der Omotesando statt, deshalb bin ich nach Tokyo zurückgefahren. Davor war ich natürlich in der Kirche – in Setagaya gibt es nämlich eine kleine Franziskuskirche. Bei der Parade bin ich dem irischen Botschafter Mr. Sharkey begegnet, und er hat mich zu einem Abendessen in Roppongi eingeladen, zu dem alle kamen. Im Hard Rock Café, gar nicht förmlich. Es wurde sehr spät, zu spät, um nach Chiba zurückzufahren, obwohl ich nicht viel trinke, höchstens zwei Bier, und der Botschafter lud mich ein, bei ihm in Roppongi zu übernachten.
    Am nächsten Tag stand ich um halb sieben auf, bedankte mich bei Mr. Sharkey und wollte mich verabschieden, aber er überredete mich, noch bis nach dem Frühstück zu bleiben. Anschließend schlenderte ich gemütlich zur U-Bahn-Station Roppongi. Ich wollte mit der Hibiya-Linie bis Kayabacho fahren und dort in die Tozai-Linie nach Nishi-Funabashi umsteigen.
    Die erste Bahn war brechend voll. Ich weiß nicht mehr genau, wie viel Uhr es war, aber wahrscheinlich so gegen halb acht. Mir blieb nichts anderes übrig, als auf die nächste zu warten. Wundersamerweise war der erste Wagen zur Hälfte leer, und ich stieg durch die letzte Tür ein. Auf dem Boden war eine klebrige Pfütze von irgendeiner Flüssigkeit, und daneben lag Zeitungspapier, als ob jemand damit herumgewischt hätte. Ich überlegte noch, was das sein könnte. Offensichtlich mieden die Leute diese Pfütze, sie standen alle vorne im Wagen. Natürlich kannte ich den Grund dafür nicht, aber ich beschloss, mich ihnen lieber anzuschließen, und setzte mich auf einen freien Sitz. Jemand hatte ein Fenster geöffnet. Es herrschte ein durchdringender Geruch, aber ich fand ihn nicht so stark. Andererseits ist mein Geruchsinn auch nicht besonders ausgeprägt.
    Jedenfalls war es kein schöner Duft, und meine Augen fingen an zu brennen. Aber da war die Tür schon zu, und der Zug fuhr ab.
    In meiner Nähe begann eine junge Frau zu schwanken und stürzte zu Boden. Sie war erst Anfang zwanzig. Ich weiß nicht, ob

Weitere Kostenlose Bücher