Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
dreitausend?«
»So ist es.«
»Und er soll natürlich spurlos verschwinden. Man darf ihn nicht finden.«
»Das macht dann wieder zwanzigtausend. Töten ist einfach. Leichenverschwindenlassen, das ist immer das Problem.«
»Ist das ein Ja?«
»Noch ein paar Fragen. Ihr Name, Ihre Adresse. Wie Sie leben, was Sie so treiben. Da bräuchte ich ein paar Informationen.«
Marlene antwortete auf jede der Fragen so ausführlich wie möglich. Manchmal zögerte sie. Aber jetzt steckte sie schon so tief in der Sache drin, ein Rückzug war vermutlich gar nicht mehr möglich.
»Warum haben Sie sich dazu entschlossen?«, sagte die Stimme langsam und eindringlich.
Das war eine seltsame Frage. Eine Frage, die sie gar nicht so richtig beantworten konnte.
»Ich muss das wissen«, beharrte die eindringliche Stimme. »Ich muss wissen, ob es Ihnen ernst mit Ihrem Auftrag ist.«
»Manchmal schaut er mich so an. Da habe ich mir schon oft gedacht: Wenn er nicht zu feige dazu wäre, dann würde er mich jetzt umbringen.«
»Hm. Haben Sie die Kohle dabei?«
»Sehen Sie in meiner Tasche nach.«
Die Stimme kam wieder ganz nah an ihr Ohr.
»Noch was: In den Zwanzigtausend inbegriffen ist Ihr Alibi. Ich konstruiere Ihnen ein absolut wasserdichtes Alibi. Und eine falsche Spur, die von Ihnen wegführt. Das gehört sozusagen zum Service. Sie übernachten heute in einem Hotel, Sie bleiben in Ihrem Zimmer, gehen keinesfalls raus. Wenn Sie rausgehen, sind Sie tot. Wenn Sie versuchen, irgendwo anzurufen, sind Sie tot. Und zwar nicht kurz und schmerzlos. Sie werden morgen um Punkt halb sechs Uhr geweckt. Ich organisiere für Sie einen kleinen Ausflug, bei dem Sie von vielen Leuten gesehen werden.«
»Ein Ausflug? Warum kann ich mir das Alibi nicht selbst verschaffen?«
»Wie stellen Sie sich das vor? Bei einer Freundin? In der Stammkneipe? Viel zu riskant. Ich verschaffe Ihnen ein zweihundertprozentiges Alibi.«
»Ich werde meinen Mann nie wiedersehen?«
»So ist es. Nur zu Ihrer Information: Ich habe dieses Gespräch aufgezeichnet.«
»Was haben Sie gemacht?«, keuchte Marlene, und sie hätte sich fast wieder umgedreht.
»Regen Sie sich ab. Nur, damit Sie auf keine dummen Gedanken kommen.«
Marlene Schultheiss hörte ihre eigene Stimme:
»Sie machen es also? Für zwanzigtausend?«
»Sie wollen es kurz und schmerzlos haben?«
»Ja, kurz und schmerzlos. Peter soll nicht leiden. Ich will ihn nur nicht mehr sehen.«
Dann hatte Marlene Schultheiss wieder die anderen Hände gespürt, die Hände von diesem Chinesen, die Hände von Xu-Zhimo. Sie konnte sich aber nicht entspannen. Auch im Hotelzimmer lag sie die ganze Nacht wach. Mehrmals war sie kurz davor, die ganze Sache wieder abzublasen. Aber ging das überhaupt? Eine Welle von Angst und Scham durchflutete sie. Einmal hatte sie schon den Telefonhörer in der Hand, dann legte sie wieder auf. Das hatte wohl keinen Sinn. Sie schaltete den Fernsehapparat ein und starrte auf die bunten Bilder. Sie bekam nichts davon mit. Sie hatte einen Auftragskiller angeheuert. Und es war alles so furchtbar leicht gegangen.
7
Nist’ im Unterholz der Star
wer’n die Sommernächte klar.
Brüt’ im Unterholz die Eule,
frierst im Sommer du dir Beule.
Alte Bauernweisheit
»Ja, siehst du, ich hab dirs gesagt: Die Kuglerte Resl ist der einzige Berg, von dem aus man die Wolzmüller-Alm einigermaßen gut einsehen kann.«
»Zumindest mit einem Zeiss’schen Einheitsdoppelfernrohr.«
Wie vor einer Woche vereinbart, hatten die beiden Bergsteiger eine Tour auf die Kuglerte Resl unternommen. Sie blickten jetzt schon ein halbe Stunde lang aufmerksam hinüber zur Wolzmüller-Alm. Der größte Teil des Anwesens entzog sich neugierigen Blicken, denn die verstreute Ansammlung von Hütten, Schobern und Quellen lag in einer Talfalte – aber das war ja gerade das Besondere an dieser Lage. Der Neurologe mit den sächsischen Grenzschützerwurzeln stellte seinen Almgucker scharf.
»Ein paar Wiesenstücke kann ich erkennen. Und eine riesige Lärche. Und eine schöne Zirbelkiefer.«
»Siehst du jemanden?«, fragte die Internistin.
»Ja, aber ich glaube nicht, dass das richtige Bauern sind.«
»Was dann?«
»Ich weiß nicht so recht. Sie sind viel zu entspannt. Es scheinen Touristen zu sein. Aber jetzt geschieht was! Eben sind zwei aufgestanden und greifen sich die Sensen.«
Es hatte sie schon gegeben, die ländlichen Malocher. Vor einigen Jahren waren Tiroler Wanderarbeiter über die Grenze gekommen, die das
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