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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Aix-en-Provence, waren kurz darauf auf einem Steilhang zu sehen, wie sie Sensen schärften und Gras mähten. Allzu geschickt stellten sie sich nicht an, kein Vergleich zu den erwähnten Tiroler Wanderarbeitern, aber es ging leidlich voran.

    »Das sieht ja gefährlich aus«, sagte die Internistin und reichte das Einheitsdoppelrohr wieder zurück.

    »Hast du schon mal Gras mit der Sense gemäht?«, fragte der GI.
    »Ja, schon oft. Meine Familie ’atte ein Landgut in Aix-en-Provence.«
    Ein dritter Erntearbeiter gesellte sich zu den beiden. Es war Wassili Wassiljewitsch, der Russe mit den Schweinsäugelchen und der piepsigen Stimme. Er zog sein T-Shirt aus, auf dem Rücken konnte man ein prächtig ausgestaltetes Tattoo in kyrillischen Schriftzeichen erkennen.
    »Was steht denn da?«, fragte der Amerikaner.
    Wassili Wassiljewitsch lachte.
    »Übersetzt heißt das in etwa: Bei den Oblonskijs herrschte Riesenverwirrung … «
    »Versteh ich nicht.«
    »Das ist von Leo Tolstoi«, sagte Pierre. »Der Anfang seines Romans Anna Karenina. «
    »Was du nicht alles weißt«, sagte der Amerikaner.
    »Kulturnation«, sagte Pierre, der Franzose.

    »Brotzeit!«, rief eine klare, durchdringende Männerstimme, und jetzt hatte er seinen Auftritt, vom Hauptgebäude der Alm her, der umtriebige und zuvorkommende Herbergsvater, Rainer Ganshagel, der für den gastronomischen Teil hier oben auf der Alm verantwortlich war. Er war gleichzeitig Hausmeister, Hotelier und technischer Direktor, er hielt den großen Multimediaraum in Schuss, überprüfte Wasser- und Stromversorgung und kümmerte sich schließlich um das leibliche Wohl der Teilnehmer. In dieser Eigenschaft zog er nun einen Leiterwagen mit klappernden Tiegeln und Töpfen hinter sich her. In einem hölzernen Bottich steckten Limonadeflaschen in Eiswürfeln. Die Kursteilnehmer diese Woche hatten darauf bestanden, dass es keinen Alkohol gab und keine Drogen. Ganshagel hatte sich daran gehalten.
    »Eine typische almerische Brotzeit!«, sagte er diensteifrig und teilte die Teller nach allen Seiten aus. »Schweinebratensülze mit Sauren Knödeln –«
    »English please«, unterbrach ihn eine sonnengebräunte asketische Frau mit Meckifrisur und Armreif. Kein Problem für Rainer Ganshagel. Internationale Gäste war er gewohnt. So schwenkte er auf ein bavarizistisches, schleppendes Amerikanisch um, das man wahrscheinlich auch in Colorado so sprach, Föhn ist Föhn.
    »Für die Vegetarier unter Ihnen habe ich mehr Saure Knödel – sour dumplings  – gemacht. Greifen Sie zu, Herrschaften.«
    »Sind Sie von hier aus der Gegend?«, fragte der kleine Mann mit den fernöstlichen Wurzeln, der sein Notebook zugeklappt hatte und es nun als Brotzeitbrettl verwendete – das Vertrauen der Asiaten in ihre eigene Technik ist groß.
    »Schauen Sie da hinunter ins Tal!«, sagte Ganshagel mit einer weit ausholenden Armbewegung. Lokalpatriotischer Stolz schwang in seiner Stimme. »Da bin ich geboren. Im Loisachtal.« Fast hätte er die Worte gejodelt.
    »Und diese sour dumplings , die haben Sie selbst fabriziert? Hier oben auf der Alm?«
    »Natürlich, aber Sie werden jetzt nicht erwarten, dass ich Ihnen das Rezept verrate!«
    Internationales Gelächter. Nur Chokri, der Tennisballkneter, lachte nicht mit. Er knetete weiter.
    »Sie verraten mir die Geheimnisse Ihres Berufes ja auch nicht«, sagte Ganshagel verschmitzt.
    Nun kam auch dem Tunesier ein kleines Lächeln aus.
    »Was wird das Ge’eimnis dieser boulettes sein, Monsieur Gans’agel?«, fragte Pierre.
    »Gewürze und Kräuter, von denen Sie noch nichts gehört haben«, raunte der Hüttenwirt verschwörerisch.

    Man aß. Man trank. Man schwieg. Was mag das für eine Branche sein, dachte Ganshagel. Normalerweise gab es bei Businessveranstaltungen ein munteres Geschnatter, das hier war eher ein Treffen der einsamen Cowboys. Ein einziges medizinisches Referat hatte er am Rande mitverfolgt – vielleicht arbeiteten diese Leute in einer Firma, die kompliziertes Gerät herstellte, wie es ein Augenarzt braucht.
    »In meiner Familie –«, platzte er in das Schweigen hinein, weil er meinte, die Gäste unterhalten zu müssen. »In meiner Familie, da hat jeder gute Dumplings machen können. Aber unübertroffen war der Großonkel Benedikt. Einen Mord hätte ich dafür begangen, wenn ich das Knödelrezept vom Onkel Benedikt bekommen hätte!«
    Gelächter.
    »Einen Mord, oh là là!«, rief Pierre. Sein Jackett aus feinem hellen Stoff hatte er nun

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