Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
wie lange das noch gehen soll. Wir sind brave Staatsbürger geworden, wir tun niemandem etwas zuleide, wir übertreten keine Gesetze –«
Die tägliche Meldepflicht war eine ihrer richterlich angeordneten Bewährungsauflagen gewesen. Sie hatten einst ihr Geld (sehr viel Geld!) damit verdient, Leichen ungeklärter Herkunft in den Särgen unbescholtener Bürger verschwinden zu lassen. Und dass sie jetzt wirklich brave Staatsbürger geworden waren, das bezweifelten manche im Kurort.
»Da schau hin, da ist das Grab vom Biersack Manni!«
»Ja, der Biersack Manni, der ist jetzt auch schon wieder zehn Jahre tot.«
Sie waren nun am hinteren, westlichen Ende des Friedhofs angelangt. Eine niedrige, brüchige Friedhofsmauer, voller Eidechsen und Friedhofsmäuse, die herumhuschten, trennte die Ruhestätte von einer struppigen Wiese, die in einen jäh ansteigenden Hang überging. Sie waren nicht zufällig hierhergekommen. Sie blieben jetzt stehen, vor einem Grab, das sie nicht kannten. Sie neigten den Kopf und falteten die Hände, als wenn sie darüber nachdachten, woran denn dieser Baurat Gramml gestorben war. Plötzlich sprang ein drahtiger Mann über die Mauer, dem ersten Anschein nach ein Bergwanderer mit einem Geißbart, er trug einen Rucksack, den etwas Kleines, aber Schweres nach unten zog. Das hätte Stengele mit seinem Fremdenlegionsblick sofort gesehen. Stengele war aber nicht hier. Stengele war, ein paar Handgranatenwürfe entfernt, bei einer Besprechung. Die Augen des Bergsteigers sprangen scheinbar ziellos von Punkt zu Punkt, er schien den Hintergrund auf Verdächtiges zu scannen.
Es war der Österreicher Karl Swoboda aus Wien. Er hatte früher mit den Graseggers zusammengearbeitet. Und er hatte einen nicht unwesentlichen Teil zum lukrativen Leichenverschwindenlassen beigetragen.
»Küss die Hand, Gnädigste!«, charmierte Swoboda.
»Ja, von wegen: Gnädigste!«
»Servus, Ignaz!«
»Grüß dich, Swoboda, alter Bazi.«
»Aber sag einmal, Swoboda, was war denn in der vergangenen Nacht auf der Wolzmüller-Alm los?«
»Hinter alle Einzelheiten steige ich auch nicht. Ich habe ein Referat da oben gehalten, und dann ist der Palawatsch passiert. Eigentlich wollte ich euch schon früher besuchen, ganz gemütlich und entspannt. Aber wir haben alle ganz schnell verschwinden müssen. Dann habe ich den Auftrag bekommen, einen Russen, den Flassi, in Sicherheit zu bringen, den habe ich in Tirol zwischengelagert. Ich hau auch gleich wieder ab, ich will mich im Kurort nicht länger als unbedingt nötig aufhalten.«
»Ein Referat hast du gehalten? Bist du jetzt unter die Unternehmensberater gegangen?«
»So ist es«, sagte Swoboda nicht ohne Stolz. »Und zwar eines über die modernsten Entwicklungen im Spurenverwischbereich und DNA-Fälschungsgeschäft. Aber ich bin fast ein bisserl nervös geworden. Denn die absolut genialste Spurenverwischerin war ja höchstpersönlich angekündigt –«
Swoboda beugte sich über das Grab des Baurats Gramml, er sprach leise, mit einer Mischung aus tiefer Ehrfurcht und professioneller Vorsicht.
»Die Äbtissin! Stellt euch vor! Alle haben schon von ihr geredet. Was heißt geredet – geschwärmt haben sie von der Frau. Die begnadetste Knipserin, die es je gegeben hat! Sie soll den Padrone Cesselli erledigt haben, damals, gerade noch rechtzeitig, bevor der Staatsanwalt ihn ausquetschen konnte. Oder Vardan Vardanovich Kushnir, den mächtigsten Spamkönig von Russland, der scheinbar so perfekt abgeschirmt war – den hat sie umgelegt. Und das ist schon was, nach Russland hineinzumarschieren und um alle Bruderschaften, die es dort gibt, gesund herumzukommen. Ihr könnt euch vorstellen, wie die alle gespannt waren auf die Äbtissin! Und dann liegt die tot unter einem Baum! Unglaublich. Der Ausweis war natürlich falsch, aber ihr Bild war ja drin, das haben alle gesehen.«
»Es war ein Treffen von Auftragskillern?«, rumpelte Ignaz unvorsichtig heraus. Ein altes Gießkannenweiblein war vorbeigegangen. Sie grüßte freundlich. Sie hatte wohl nichts gehört. Vermutlich konnte sie mit dem Begriff auch gar nichts anfangen.
»Ich rate euch, äußerst vorsichtig zu sein«, sagte Swoboda ernst. »Das ist kein Kinderfasching. Da geht es nicht um ein paar Schläger und Striezis, da geht es um die internationale Crème der Ausknipser und Terminatoren. Der Flassi war da und die zwei Italiener natürlich, dann der Franzose mit seinem geschleckten Outfit. Hat mich gewundert, dass der überhaupt
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