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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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bringen?«
    Ja, was sollte das wohl wieder bringen? Aktzeichnen, Landschaftsmalerei, Portraits, Stillleben?
    »Das Studium des menschlichen Körpers. Das Gefühl für Proportionen –«
    Der Michl nahm einen Zimmermannsbleistift hinter dem Ohr hervor, spitzte ihn mit dem Taschenfeitel, griff nach einem Blatt und setzte den ersten Strich darauf.
    »Moooment!«
    »Was gibt es denn noch?«
    »Ein Modell habe ich für dich dabei.«
    »Wen?«
    »Die Rosner Resl.«
    »Die im Wirtshaus zur Roten Katz Bedienung ist? Die kenn ich.«
    »Aber nicht nackert.«
    »Ich hab sie einmal barfuß gesehen, das genügt mir.«
    »Aber sie wartet draußen –«
    »Schick sie wieder weg. Ich zeichne auch ohne sie einen Akt. Ich hab es nicht gerne, wenn jemand zuschaut. Ich mach es auswendig.«

    »Auswendig, soso.«
    Frank Möbius ging hinaus und erklärte der Rosner Resl die Sachlage. Es täte ihm leid, aber sie wäre umsonst heraufgekommen. Sie würde aber die vereinbarte Entlohnung für das Modellstehen trotzdem bekommen.
    »So eine Sau, so eine perverse!«
    Die Rosner Resl war entrüstet. Sie war auf die Alm gestiegen in der Hoffnung, sich auf diese Weise Eingang in den Louvre zu verschaffen. Wutschnaubend stapfte sie wieder hinunter ins Dorf.

    »Du schließt von den Füßen auf den ganzen Körper?«
    Michl schwieg. Pars pro toto, hätte er geantwortet, wenn er Latein gekonnt hätte. So nahm er den Zimmermannsbleistift in die Faust und wischte ein paar Striche hin. Er zerknüllte das Papier und begann erneut. Möbius schlich hinaus. Wenn der Michl so drauf war, dann durfte man ihn nicht anreden.
    »Und, wie gehts so dahin?«, fragte der alte Wolzmüller-Bauer.

    Die Geschäfte von Möbius liefen gut. Sehr gut.

23
Don Quijote Sancho, treuer Begleiter, siehst du den Hochwald, der sich vor uns aufbäumt?
Sancho Panza Herr, wir liegen am Boden und sehen lediglich Gehölz, in dem wir feststecken.
Don Quijote Aber was für Palisandergehölz, um das sich Walnuss, Teak und Kirschbaum rankt!
Sancho Panza Herr, es ist die Gemeine Stechwinde, die uns zu schaffen macht.
Don Quijote Sancho, du machst es dir wie immer zu einfach.
    Aus dem Ausstellungskatalog des Frankfurter Museums für Moderne Kunst. Expertise von Annika Hüttenrauch.
Und schon wieder haben wir einen echten Fuselitz entdeckt! Wieder ist eine Aktzeichnung aus dem Nachlass aufgetaucht. Aber ist es überhaupt eine Aktzeichnung? Ich würde fast sagen: Es ist mehr als das, es ist eine Arbeit, die den Akt gleichzeitig in Frage stellt, ad absurdum führt und weiterentwickelt. Fuselitz ist tot – es lebe Fuselitz. Diese Zeichnung, die er selbst bescheiden Halbakt genannt hat, zeigt weibliche Füße – aber was für Füße! In seiner unverwechselbaren subjektiv-geometrischen Sichtweise (die die typisch Velázquez’sche Angst vor der Leere des Blattes mit der rasenden Kühnheit des mittleren Watteau verbindet) mischt er die irrealen Perspektiven Picassos, die hie und da zwischen der strengen Handhabung Liebermann’scher Gestaltungslogik aufblitzen, lässt einer ungeahnten eigenen Originalität freien Raum, die den vorgegebenen Konstruktivismus Dalís (und manchmal, bei den Schraffierungen, auch den von Chagall) überflügelt und vergessen macht. Um es auf den Punkt zu bringen: So hat man weibliche Füße noch nie gesehen. Man spürt in den Füßen quasi den Körper der ganzen Frau. Ein schwächerer Künstler als Fuselitz hätte die Frau ganz und gar hingezeichnet, doch gerade die Leerstelle zeichnet ihn aus. Das leere Sofa, die leichten Abdrücke darin – und die unten stehenden Füße.
Einer der gelungensten Halbakte der Kunstgeschichte – Eine Essenz des menschlichen Körpers – Der Höhepunkt des posterotischen Destruktivismus. Man darf nach diesem genialen Wurf gespannt sein, was aus dem Nachlass des Meisters noch alles auftaucht.

    Aufsatz »Ein Museumsbesuch«. Von Tobi, 9 Jahre.
Wir sind ins Museum gegangen und haben dort viel gesehen, bevor es was zu essen gegeben hat. Am besten hat mir ein Bild von Fuselitz gefallen. Das war ein einziges Gestrichel und Gezittere, ein wildes Rumgeschmiere, wie wir das in der Schule nie hätten machen dürfen. Aber je mehr man hingeschaut hat auf das Gekritzel, hat man die Füße der Frau gesehen, wie sie am Boden gestanden sind. Die Frau selbst ist nicht auf dem Sofa gesessen, aber man hat sich das vorstellen können. Besser natürlich als umgekehrt, als wenn man die Frau auf dem Sofa wirklich gesehen hätte, und man hätte sich die

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