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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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vierundzwanzig Stunden.«
    Die beiden Mediziner erbleichten.
    »Wir müssen sofort runter«, sagte die Internistin.

    Sie drehten sich um. Der Muskelberg, der am Abgrund gestanden hatte, war nicht mehr zu sehen.
    »Verdammt, er ist schon wieder ausgebüxt!«, rief der Zivi.
    »Helfen Sie mir? Er kann noch nicht weit sein.«

27

Unterholz aus dem Hause Jimmy Shoo
    Den großen alpenländischen Kurort, der sich im Werdenfelser Tal hinfläzt wie ein schnarchender Riese mit ausgebreiteten Armen, umkreisen auch ein paar Satelliten, kleine Marktflecken, die sich wie die sieben Zwerge hinter den Bergen verstecken. Grainau gehört dazu, Mittenwald und Oberammergau, ferner Farchant, Hammersbach, Ettal – und schließlich Wamberg. Von jedem der Zwerge gibt es etwas Besonderes zu vermelden. Grainau hat die Zugspitze für sich gepachtet, Mittenwald frönt dem Geigenbau, Oberammergau der Passion Christi, Farchant ist Schauspielerrefugium, Hammersbach ist die eiskalte Pforte zur reißenden Höllentalklamm, Ettal ist benediktinischer Hort der Manneszucht, nur Wamberg hat sich bisher keine international bekannten Meriten erworben.

    Doch jetzt war auch in Wamberg etwas Dramatisches geschehen. Franz Hölleisen streckte im Polizeirevier den Kopf durch die Tür des Besprechungszimmers.
    »Wir haben einen Hinweis auf einen der Seminarteilnehmer. Ein Anruf aus Wamberg. Von einem Mobiltelefon. Jugendliche haben einen Mann gesehen, auf den ein Phantombild im Internet passt.«
    Alle fuhren auf. Nicole Schwattke, die die Phantombilder ins Netz gestellt hatte, stieß die Faust in die Luft.
    »Yeah! Es hat geklappt!«
    »Warten wirs ab«, sagte Stengele. Doch auch er stand schon.
    »Wen von den Seminarteilnehmern wollen die Jugendlichen denn erkannt haben?«, fragte Jennerwein.
    »Soweit ich das verstanden habe, ist es der Tunesier, der seinen Namen mit Chokri Gammoudi angegeben hat.«
    »Hölleisen, schärfen Sie den Jugendlichen ein, dass sie nichts auf eigene Faust unternehmen sollen. Sie sollen warten, bis wir da sind. Wenn es wirklich einer von den Seminarteilnehmern sein sollte, dann ist äußerste Vorsicht geboten.«
    »Geht in Ordnung.«
    »Wie weit ist es bis nach Wamberg?«
    »Wenn man voll Stoff fährt – etwa zehn Minuten.«
    »Ein Zweierteam dürfte genügen«, fuhr Jennerwein entschieden fort. »Ostler, Sie sind ortskundig, Schwattke, Sie sind jung. Fahren Sie los. Und passen Sie auf sich auf.«
    Zehn Sekunden später saßen Ostler und Nicole im Auto und fuhren nach Wamberg. Voll Stoff.

    Der Tunesier, der seinen Namen mit Chokri angegeben hatte, knetete wie üblich den Tennisball. Das war seine Art, sich zu konzentrieren. Er hatte sich das im Knast angewöhnt. Von heute Morgen bis jetzt war alles nach Plan verlaufen. Er befand sich auf dem Weg zum Krankenhaus, Ganshagel hatte ihm den Weg erklärt. Chokri war gut vorangekommen, obwohl es geregnet hatte wie aus sieben tunesischen Januarhimmeln. Er konnte sich natürlich im Kurort selbst nicht blicken lassen, dieser Hüttenwirt hatte ihm Nebenwege empfohlen. Er war quer durch den Wald über Stock und Stein gelaufen. Er war geklettert und hatte sich durchs dichte Gestrüpp gekämpft. Seine Beine schmerzten, er hatte Hunger und Durst. Aber er war ein harter Hund. Chokri Gammoudi, der Wüstensohn, hatte schon ganz andere Hindernisse überwunden.

    Und dann hatte er von einer Anhöhe aus plötzlich den Klettergarten gesehen. Ganz oben in der Wand hing ein Jugendlicher, ein anderer sicherte den Kletterer von unten. Die Kerle trugen sichtbehindernde Sturzhelme, sie schienen zudem voll konzentriert auf ihre Übungen. Das waren sicher dumme Jungs, die auf keinen zielstrebig dahineilenden Wanderer achteten. Er konnte es riskieren, an ihnen vorbeizuhuschen. Ansonsten würde er noch eine Stunde verlieren. Er wollte noch vor Anbruch der Dämmerung das Krankenhaus erreichen. Chokri nahm den Weg, der nach unten führte. Und tatsächlich: Als er in einiger Entfernung an den Jugendlichen vorbeikam, schienen sie ihm keinerlei Beachtung zu schenken. Sie waren voll auf ihre Toprope-Sicherung konzentriert. Der Untere stand mit dem Rücken zu ihm. Und der Kletterer oben war mit seinen Tritten, Griffen und Verspreizungen beschäftigt. Chokri beschleunigte seine Schritte, bis er außer Sichtweite kam. In der Ferne machte er ein paar Häuser aus. Das musste Wamberg sein, die Ortschaft, von der Ganshagel gesprochen hatte. Wenn er diesen kleinen Flecken hinter sich hatte, konnte nichts mehr schiefgehen.

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