Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
»Bleiben Sie noch ein paar Tage da. Schauen Sie sich ein paar Sehenswürdigkeiten im Ort an! Dass Sie nicht gar so einen schlechten Eindruck von unserem schönen Kurort mit nach Springfield nehmen müssen. Das Geschäft läuft ja nicht davon.«
»Können Sie uns etwas empfehlen? Etwas Typisches? Etwas Authentisches?«
Natürlich konnte sie das. Das war ihr Spezialgebiet. Sie empfahl eine schwindelerregende Führung auf die berühmte Skischanze, auch einen Spaziergang durch die gischtsprühende Höllentalklamm. Sie empfahl, die Weißwürste unbedingt in der Metzgerei Kallinger zu kaufen, nirgends sonst.
»Versprechen Sie mir das: Nur beim Kallinger, gehen Sie auf keinen Fall zu Letzelberger & Söhne!«
Sie empfahl Schuhplattellehrgänge, VHS-Kurse für Bayrisch, sie wies auf eine Kräuterwanderung hin, historische Kutschenfahrten, auf ein Richard-Strauss-Konzert und eine Demonstration der Wamberger Alphornbläser. Den Indern rauchten die Köpfe.
»Schön ist auch eine Beerdigung«, sagte Rosalinde begeistert. »Das müssen Sie erlebt haben! Eine Beerdigung von einem Einheimischen, mit Blasmusik, Leichenschmaus und so schönen alten Bräuchen wie dem Ins-Grab-Nachjodeln.«
»Wir werden sehen.«
Frau Rosalinde verabschiedete sich schließlich und verließ das Zimmer. Die drei warfen einen Blick hinter den Vorhang. Der Tunesier schien immer noch zu schlafen, sicher waren sie sich nicht.
»Wir könnten ihn natürlich opfern«, flüsterte Pratap Prakash.
»Wie meinst du das?«
»Wir geben der Polizei einen Tipp, wir lenken diesen Kommissar Jennerwein auf ihn, und wir nützen die Verwirrung, um die Gegend zu verlassen.«
Sie betrachteten Chokri. Auch wenn sie ihn aufgenommen hatten, trauten sie ihm nicht. Sie hatten Blicke von ihm aufgefangen, die ihnen überhaupt nicht gefielen.
Der stumme Inder reichte einen Zettel herum.
»Der Kaiser Jojpratsh, der seine Gattin an Aaskäfer verfüttert hatte, starb schließlich auch, und niemand wagte es, das Insektarium aufzulösen. Madhva schrieb, dass die Kaiserin das Reich noch sechshundert Jahre regiert hätte, ohne dass es jemand bemerkte.«
»Er wieder mit seinem Madhva«, sagte Pratap Prakash augenrollend.
44
Maigret stand schweigend am Waldrand. Maigret rauchte Pfeife. Aus dem niederen Unterholz ragte eine Hand. Maigret starrte auf die Hand. Die Hand bewegte sich nicht. Nachdenklich zog Maigret an der Pfeife.
Georges Simenon, »Maigret und der Verdacht«
Die aufeinandergestapelten Pizzaschachteln dampften auf dem Besprechungstisch. Ostler zog eine Pizza Regina zu sich her, er hob erwartungsvoll den Deckel, da klingelte es. Stengele war am Apparat.
»Ich glaube, wir haben es geschafft!«, rief der Allgäuer. »Wir haben jetzt einen ziemlich undurchdringlichen Ring um den Kurort gelegt. Die drei Ausfallstraßen sind vollständig unter unserer Kontrolle. Wir machen von jeder Person im Alter zwischen fünfzehn und fünfundsiebzig, die raus will, ein Foto und nehmen die Personalien auf.«
Maria schaltete sich ein.
»Fotos? Warum denn Fotos? Der Einzige, der einen der Seminarteilnehmer identifizieren könnte, wäre doch Ganshagel gewesen.«
»Das mit den Fotos ist ein strategisches Manöver«, erklärte Stengele.
»Sehr gut«, sagte Jennerwein. »Das macht ihn vielleicht noch nervöser.«
»Alle anderen kleineren Straßen und Wege«, fuhr Stengele fort, »alle Steige und Trampelpfade sind von unseren Hilfstruppen besetzt. Der ganze Kurort ist umzingelt. Ich wusste gar nicht, wie unendlich viele Mitglieder die Freiwillige Feuerwehr hat. Eines muss ich allerdings noch sagen, Chef: Die Empörung der Bevölkerung ist riesengroß. Da werden wir noch einiges zu hören bekommen.«
Nicole kam aus der Funk- und Telefonzentrale, die sie den kleinen Medienraum nannten – es gab allerdings keinen großen.
»Ich habe jetzt einige Rückmeldungen auf unsere Berichte über die Äbtissin. Etwas Brauchbares ist allerdings noch nicht dabei. Nur so am Rande: Eine Frauenzeitschrift hat gefragt, ob wir nicht einen Lebenslauf von dieser Äbtissin haben. Und Bilder, möglichst farbig. Sie wollen eine große Story draus machen.«
»Wir können ihnen ja Bilder von der Leiche schicken«, sagte Maria süffisant. »Die Silphen-Maske ist mal was anderes als eine Gurkenmaske.«
Jennerwein mahnte zum Ernst.
»Nicole, machen Sie weiter und trennen Sie die Spreu vom Weizen. – Und nehmen Sie Ihre Pizza mit, bevor sie kalt wird.«
Ostler, Jennerwein und Maria setzten sich wieder an
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