Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
gemacht.«
»Das habe ich schon bemerkt. Die halbe Speisekammer ist leer.«
»Sie stürzen sich ziemlich schnell auf was Fressbares, dann ziehen sie sich zurück ins Nest, das sie meistens in Bäumen oder Sträuchern bauen. Die Äbtissin ist unter einer Zirbe gelegen, ich habe raufgeschaut in der Nacht, wenn du dich erinnerst. Ich habe aber keine Silphen in dem Baum gesehen.«
»Es war dunkel, wir haben nur eine schwache Taschenlampe dabeigehabt – du hast das Nest vielleicht übersehen.«
»Kann sein. Aber ich hätte wenigstens eine Pheromon-Straße mit den Silphen sehen müssen, am Baumstamm rauf und runter. Irgendwie komisch ist das schon.«
»Ich bin natürlich keine Biologin«, sagte die Gerichtsmedizinerin im Labor des Instituts für Pathologie und Forensische Medizin. Sie hatte das Telefon unter dem Kinn eingeklemmt und wühlte mit beiden Händen in den Papieren auf ihrem Schreibtisch. »Wir haben uns bezüglich der Rothalsigen Silphen bisher nur darum gekümmert, was sie uns über den Todeszeitpunkt der Frau sagen. Wo sie herkommen, das weiß ich natürlich nicht. Am Boden hat Becker Reste von Stinkmorcheln gefunden. Durch diese wurden die Silphen anscheinend angelockt. Dann haben sie aber, wie wir wissen, etwas Schmackhafteres gefunden.«
»Danke«, sagte Jennerwein am anderen Ende der Leitung. »Den Baum hat Becker doch ebenfalls untersucht. Könnten Sie mal nachsehen, ob in den Protokollen etwas darüber steht, ob die Silphen im Baum ein Nest hatten?«
»Das kann ich Ihnen so auch beantworten, nämlich mit einem klaren Nein.«
»Danke, Frau Doktor.«
Jennerwein beendete die Verbindung und wandte sich wieder dem Wolzmüller Michl zu.
Als Ignaz und Ursel Grasegger nach Hause kamen, bemerkten sie, dass eine Taube auf dem Vordach saß. Das Tier war erschöpft, sie fütterten es. Sie wussten, dass die Taube sehr weit geflogen war. Sie nahmen ihr das Bändchen mit der Kapsel vom Fuß. Ignaz entzifferte die verschlüsselte Nachricht von Padrone Spalanzani aus Italien.
»Und?«, fragte Ursel.
»Wir sollen sofort Kontakt mit Swoboda aufnehmen.«
Ignaz nahm ein fabrikneues Mobiltelefon aus der Verpackung, bestückte es mit einer Prepaid-Karte und wählte die Nummer, die er auswendig wusste. Swoboda war sofort am Apparat.
»Und? Wie weit seid ihr denn mit eurer Bleigießerei?«, unkte der Österreicher.
»Was willst du, Swoboda?«, fragte Ignaz ungeduldig.
»Ich habe den Auftrag bekommen, noch einmal ein paar Leute aus eurem Kurort zu schleusen.«
»Das ist momentan schwierig, das sage ich dir gleich. Eigentlich unmöglich. Der Jennerwein hat ganze Arbeit geleistet.«
»Ich weiß, man hört es ja in den Nachrichten. Sogar von einem Hexenkessel ist die Rede. Ziemlich martialisch, findet ihr nicht?«
»Du hast also einen Transport. Wir sind aus dem operativen Geschäft ausgestiegen, das weißt du doch. Außerdem sind alle Zufahrtsstraßen gesperrt. Die Feuerwehr ist ausgerückt. Das Technische Hilfswerk. Die Bergwacht. Das sind drei überwältigende Hilfstruppen!«
»Konfuzius sagt: Es gibt immer Wege.«
»Und Ignazius sagt: Nimm nicht alle Wege.«
Ignaz gab das Telefon an Ursel weiter.
»Wo sind denn diese Leute, die du rausschleusen sollst, untergebracht?«, fragte sie.
»Ich dachte, ihr seid aus dem operativen Geschäft ausgestiegen?«
»Ich sag dir gleich, wir nehmen keine Gäste, bei uns sind alle Fremdenzimmer belegt. Wir wollen sauber bleiben. Wir wollen ins politische Geschäft einsteigen.«
»Was bitte wollt ihr?«
»Wir wollen uns als Bürgermeisterkandidaten aufstellen lassen, wenn die Bewährungsfrist abgelaufen ist.«
»Das sind ja g’spaßige Nachrichten! Ihr sollt aber gar nicht operativ arbeiten. Ihr sollt nur ablenken. Kennt ihr die Pension Üblhör?«
»Da befinden sich die Zielpersonen?«
»Genau. Ich werde euch heute Abend noch ein Zeitfenster zukommen lassen. In dieser Zeit taucht ihr im Revier auf und lenkt die Haberer ab. Ihr gebt ihnen ein kleines, unwichtiges Detail zu dem Fall, dem sie aber nachgehen müssen. Lasst euch was einfallen. Sie müssen ganz und gar abgelenkt sein. In der Zeit greife ich zu.«
»Gut, das können wir machen«, sagte Ursel. »Aber nur aus einem Grund. Um die Äbtissin tuts mir nicht leid. Nach allem, was ich von Padrone Spalanzani gehört habe, hat die bei ihren Aufträgen Kinder eingesetzt, um abzulenken. Da hört für mich der Spaß auf. Wir machen es bloß wegen dem Gansi. Der Ganshagel, der hat niemandem etwas zuleide getan. Und
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