Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
den Konferenztisch.
»Eines muss uns klar sein. Unendlich lang können wir diese Aktion nicht durchhalten. Wir müssen uns also beeilen. Wir haben ihn eingekesselt, wir haben ihn – hoffentlich – nervös gemacht. Jetzt müssen wir versuchen, ihn anzulocken. Ich bitte um Vorschläge.«
Ostler ruckelte auf seinem Stuhl hin und her.
»Nur zu, raus damit!«, munterte Jennerwein ihn auf.
Johann Ostler war grottenstolz, dass er als einfacher Polizeiobermeister in strategische Überlegungen mit einbezogen wurde.
»Ganz direkt gefragt: Wie sieht es mit unserem Bürgermeister aus? Ob man dem trauen kann oder nicht, das sei einmal dahingestellt. Natürlich hat – oder hatte – er auf der Wolzmüller-Alm was am Laufen, ich glaube aber nicht, dass das etwas mit unserem Fall zu tun hat. Jetzt habe ich mir gedacht: So ein Politiker ist doch immer ganz froh, wenn er als Retter dastehen kann. Sie wissen schon: Helmut Schmidt, 1962, Sturmflut in Hamburg, dann Bundeskanzler.«
»Sie meinen, dass wir den Bürgermeister als Lockvogel einsetzen? Also, Ostler, wenn das schiefgeht, dann können wir uns alle neue Jobs suchen, das versichere ich Ihnen. Nein, das ist mir zu riskant. Und ob er mitspielen würde, ist auch unsicher.«
»Ich glaube schon, dass er mitspielt. Ich habe gehört, dass er in die Landespolitik will. Da käme ihm doch so ein Katastrophen-Sprungbrett ganz recht.«
»Trotzdem ist mir das zu riskant. Der Sturkopf läßt sich ja nichts sagen, der handelt bei so einem Einsatz auf eigene Faust, und wir haben die Verantwortung. – Wie gehts ihm eigentlich in seiner Zelle?«
»Der Gefängnisdirektor sagt: ganz gut. Er hat sich einiges zum Lesen mitgenommen.«
»Ostler, die Idee ist nicht schlecht, aber das können wir nicht riskieren. Nächster Vorschlag.«
»Wie sieht es mit der Familie Grasegger aus?«, sagte Maria. »Die beiden schienen mir beim letzten Treffen doch auffällig nervös. Nach dem Ganshagel-Mord war gar nichts mehr übrig von der souveränen Pollenflugallergie-Arie von gestern. Ich vermute, sie haben Angst, dass ihnen das gleiche Schicksal wie Ganshagel blüht. Und sie wissen mehr, als sie zugeben. Das könnten wir ausnützen.«
»Meine Meinung hierzu steht unverrückbar fest«, sagte Jennerwein. »Ich arbeite nicht mit verurteilten Straftätern zusammen. Nennen Sie mich meinetwegen einen Prinzipienreiter, aber ich mache es nicht. Nächster Vorschlag.«
Ostler meldete sich nochmals.
»Ich weiß, das ist eine verwegene Idee, eine ganz abseitige, und eine, die nicht im Polizeiaufgabengesetz vorgesehen ist, aber –«
Die Tür wurde aufgerissen. Nicole winkte allen, in den Nebenraum zu kommen. Jennerwein, Ostler und Maria sprangen auf und folgten ihr.
»Ich habe zwei Wanderer in der Leitung, die irgendwo in den Bergen unterwegs sind. Ein Mann und eine Frau. Sie rufen jedenfalls von ihrem Handy an. Die Verbindung ist nicht sehr gut.«
Nicole stellte das Telefon auf Lautsprecher.
»Hallo? Sind Sie noch dran? Prima.«
Eine aufgeregte Frauenstimme mit deutlich hamburgischem Einschlag erklang.
»Wir haben gerade erfahren, dass auf der Wolzmüller-Alm etwas passiert ist. Vorgestern, um sieben Uhr. Und genau um diese Zeit haben wir mit dem Fernglas rübergeguckt, vom gegenüberliegenden Berg aus.«
»Ja, genauso war es!«, schaltete sich ein Mann ein, dessen Wurzeln tief im Sächsischen verankert zu sein schienen. »Punkt sieben haben wir rübergeguckt.«
»Bitte nennen Sie uns Ihre Namen!«
»Bt…sch… verbindung schlecht.«
»Und was haben Sie gesehen?«, fragte Jennerwein.
»frg … eigentlich nichts. Aber wir haben jetzt Ang…ft b.r…«
»Wo sind Sie?«
»Auf dr…alm…«
»Sie sind in höchster Gefahr! Kommen Sie bitte sofort aufs Polizeirevier. Auf schnellstem Weg. Haben Sie mich verstanden?«
»fg … rrr … fg«
»Probieren Sie, uns von unterwegs nochmals anzurufen.«
Es war nichts mehr zu machen. fg … rrr … fg … Das hätten auch die vier Windburschen sein können, die da in das Handy pfiffen.
»Rufen Sie Becker an, Nicole. Der soll das Mobiltelefon sofort orten.«
»Chef, es geht schneller, wenn ich das selbst mache«, sagte Nicole. »Die modernen Kommunikationsanlagen sind schon mit einer entsprechenden Software ausgerüstet. Aber wenn Sie meinen, dass ich Becker trotzdem –«
»Nein, nein«, sagte Jennerwein. »Machen Sie das. Wir müssen die beiden schnell aufspüren. Und dann schicken wir am besten die Bergwacht hin.«
Nicole war schon dabei,
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