Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
ich will wissen, wer den erledigt hat.«
So wurden die Graseggers Teil einer taktischen Finte. In der Kriegskunst gibt es dafür einen Fachausdruck: Parthisches Manöver. Dabei sammeln sich starke Verbände an einer bestimmten Stelle und binden dadurch feindliche Kräfte. Cannae – 216 v.Chr., Chattahoochee River – 1864, Tobruk – 1941. Wer es nicht ganz so kriegerisch will, kann es an einem Beispiel aus der Welt des Fußballs studieren. Der sehr gute Spieler, der Weltklassefranzi, täuscht einen genialen Pass an, er führt ihn zwar nicht aus, aber die anderen glauben, dass er es macht, sie rennen zu ihm, und dadurch bindet er Kräfte. Oder, wer Fußball jetzt auch langsam satthat: Der Leser eınes Textes lıest gemütlıch dahın, soll aber eıne bestımmte Informatıon nıcht bekommen, obwohl er sıe vor der Nase hat. Dıe Aufmerksamkeıt des Lesers wırd woanders hıngelenkt, zum Beıspıel auf dıe fehlenden ı-Punkte, dıe den Text plötzlıch zerfressen haben. Dann verschwındn ımmr mhr Bchstbn. Abr da ıst e schon zu spät. Man kann nıcht mhr wıtrlsn, schlıßlıch gs ıch lsı sth. gh ıs tr ını mı. dl fg rrr fg btıssın.
»Weißt du was«, sagte Ursel, »wir gehen jetzt zur Törlspitze.«
»Was, jetzt noch zur Törlspitze? Und unser Abendessen?«
»Nein, nicht rauf auf den Gipfel, sondern unten zur Prattinger-Wiese. Das dauert nur eine knappe Stunde. Zur Fünfuhrjause sind wieder zurück. Denn das mit den SOS-Blinkzeichen, das lässt mir nämlich keine Ruhe.«
»Ach, Ursel, lass es, da war nichts!«
»Ich bin mir aber sicher, dass ich sie gesehen habe.«
»Na gut, wenn du unbedingt meinst!«
Sie nahmen noch einen kleinen Imbiss auf der Terrasse, dann brachen sie auf. Die Prattinger-Wiese breitete sich unter der Törlspitze aus. Es war ein unzugängliches, borstiges Stück Land, ein wildes Gewirr von Sträuchern und Gestrüpp. Ursel und Ignaz kämpften sich ächzend und fluchend durch das Unterholz. Ein kleiner Bach bahnte sich seinen Weg durch das Gewirr, und ein aufgeschreckter Biber blickte verdutzt hinter einem gefällten Baumstamm hervor.
»Was erwartest du denn? Dass wieder einer abgestürzt ist?«, fragte Ignaz.
In den Sechzigern hatte man einmal nach einem vermissten Bergsteiger gesucht, der zuletzt auf der Törlspitze gesehen worden war. Man hatte die Prattinger-Wiese durchkämmt, den Vermissten zwar nicht gefunden, dafür aber mehrere andere Bergopfer, sogar einen amerikanischen GI, den die U. S. Army schon längst abgeschrieben hatte. Die Eheleute gingen den Bergfuß entlang.
»Da sind die meisten gelegen«, sagte Ursel.
Sie gingen die Strecke zweimal auf und ab. Sie machten jedoch keine grausige Entdeckung. Ignaz fand lediglich eine Karte des Werdenfelser Landes im Maßstab 1 : 10000, ferner ein Handy, das am Boden lag und das wohl von oben heruntergefallen sein musste. Es schien einigermaßen unbeschädigt, vielleicht war es an einen Baum hängen geblieben. Ignaz steckte es ein.
»Trotzdem, ich weiß, was ich gesehen habe«, sagte Ursel.
Als sie wieder im Ort waren, kehrten sie noch auf einen Absacker in der Spirituosenhandlung Absturz ein. Dort gab es nur ein Thema: die Äbtissin.
46
»Hast du diesen reizenden Vikar Underwood nicht eingeladen, meine Liebe?«, fragte Miss Marple beim Tee.
»Mein Gott – weißt du es nicht, Jane! Er ist doch plötzlich verstorben!«
»Ach, wirklich?«, fragte Miss Marple.
Agatha Christie, »Die Fußangel«
So einen maulfaulen und trägen Burschen hatten beide noch nie erlebt. Jennerwein und Ostler saßen wie auf glühenden Kohlen. Draußen war der Kurort in hellem Aufruhr – hier drinnen zählten sie die Minuten, die verrannen, bis sich der Michl dazu aufraffte, zu antworten. Aber sie mussten geduldig sein.
»Warum hast du dir schon gedacht, dass wir kommen?«, fragte Ostler. Der Michl ließ sie zappeln.
»Auf der Wolzmüller-Alm ist was passiert«, sagte der Michl schließlich bedächtig. »Und ich bin ein Wolzmüller. Deswegen seid ihr da.«
»Das ist richtig, Michl. Da droben ist was passiert. Wir wissen natürlich, dass du nichts damit zu tun hast.«
Der Michl blickte auf. Er drehte den Kopf misstrauisch zu Ostler. War das ein Satz zu viel gewesen? Jennerwein schaute ihn scharf an. Wie konnten sie sich sicher sein, dass der Michl sich nicht doch dort oben herumtrieb? Ja, verdammt nochmal: Woher wussten sie eigentlich, dass dieser verschlossene Wolzmüller-Spross nichts mit den Morden zu tun hatte? Er saß dort auf
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