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Unterland

Unterland

Titel: Unterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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»Ich habe keine Lust, darüber zu reden.«
    »Ist mir recht«, erwiderte ich.

10

    Wim kam nur wegen der Bettgestelle mit. Er hatte zwei verrostete, verbogene Federrahmen organisiert, ausgemustert aus einem Krankenhaus, die sich mit knapper Not auf den kleinen Handwagen laden ließen, den uns der arme Leo geliehen hatte. Henry zog, Wim hielt an der einen Seite fest, ich krückte auf der anderen. Die Bettgestelle waren als Zaun für unseren neuen Garten gedach t – nicht dass es dort schon etwas zu stehlen gegeben hätte, aber Gelegenheiten musste man nutzen, wo sie sich boten.
    Ich setzte mich auf den Baumstumpf, der auf unserer Parzelle stehen geblieben war, und sah zu, wie alle arbeiteten: Wim und Henry befestigten die Bettgestelle an Eisenstäben, die sie am Vortag auf der vorderen Grundstücksgrenze im Boden versenkt hatten, Ooti, Leni und deren Mutter säten im sonnigsten Eckchen des Garten s – gleich neben dem entstehenden Zau n – Salat. Zwei Bettgestelle allein auf weiter Flur, mit einem Meter Abstand dazwischen anstelle des Gartentors, sahen höchst seltsam aus, aber einer musste schließlich den Anfang machen.
    Im Augenblick hatten die Grundstücke noch den Charme einer Brache, auf der, wohin man auch sah, Köpfe und gebeugte Rücken zu erblicken waren, aber einige Parzellenbesitzer kamen, kaum dass die Gestelle standen, sofort zu uns hinüber, um den Zaun zu begutachten und zu überlegen, womit man anstelle von Federrahmen noch improvisieren konnte. Mehrere planten bereits den Bau einer Laube, sobald sie an das notwendige Material gelangten, denn in einer Laube würde man wohnen können, wenn wieder ein Krieg kam. Jeder hier schien irgendjemanden zu kennen, der, nachdem er ausgebombt worden war, in einer Gartenlaube den Krieg überlebt hatte.
    Wieder ein Krie g … in letzter Zeit hörte man diese Worte oft. Der Streit zwischen Russen und Westalliierten war offen ausgebrochen, Drohungen und Verhandlungen wechselten einander ab. Amerikaner und Briten schienen endgültig den Glauben daran verloren zu haben, mit den anderen Besatzungsmächten Einigkeit über die Zukunft Deutschlands erzielen zu können, und redeten jetzt nur noch davon, ihre beiden Zonen zusammenzulegen. Was wiederum Sowjets und Franzosen so nervös machte, dass sie über ihre Hoheitsgebiete umso schärfer wachten.
    Aber deshalb ein Krie g …? Mem hatte uns beruhigt.
    »Dazu hat keiner mehr die Kraft. Halb Europa ist zerstört und hungert, einem Krieg würde niemand zustimmen.«
    »In ein paar Jahren vielleicht«, erwiderte Ooti. »In ein paar Jahren haben alle vergessen, wie es war.«
    Dennoch sträubte sich alles in mir gegen den Bau einer Laube. In ein paar Jahren würden wir längst wieder auf Helgoland sein! Wenn hier irgendjemand auf die Idee kommt, eine Laube zu bauen, kriegt er es mit mir zu tun, dachte ich, und selbst die beiden albernen Bettgestelle fuchsten mich mit einem Mal. Als wollten wir hier Wurzeln schlagen!
    Auch Frau Broders fuchste mich. Broders hatten keinen eigenen Garten und es war für Mem und Ooti selbstverständlich gewesen, ihnen eine Beteiligung an unserem anzubieten. Als ich Frau Broders tags zuvor leise mit Leni hatte reden hören, hatte ich im ersten Moment geglaubt, ich hätte mich verhört.
    »Kein Wunder, dass sie den Garten gekriegt habe n … mit Wilmas Beziehungen zu den Tommy s …!«
    Dabei hatten wir den Garten lange vor Mems Job bei Captain Sullavan bekommen! Hätten wir ablehnen sollen, bloß weil einige Freunde nicht zum Zug gekommen waren? Obwohl seit Frau Broders Bemerkung fast vierundzwanzig Stunden vergangen waren, ärgerte ich mich immer noch über Lenis Mutter, und ich ärgerte mich nicht weniger über den Blick, den sie Wim zugeworfen hatte, kaum dass wir mit den Bettgestellen eingetroffen waren.
    »Gehört der jetzt auch dazu?«, fragte sie gedämpft.
    »Wim gehört jetzt zur Familie, ja«, erwiderte Ooti zu meiner Freude.
    »Für drei Familien ist der Garten aber zu klein!«, gab Frau Broders zu bedenken.
    Der Garten war so klein, dass Wim sie womöglich sogar hörte, während er mit Henry die Federrahmen ablud! Ich wollte am liebsten im Boden versinken.
    »Ohne Wim«, sagte Ooti unwillig, »hätten wir wahrscheinlich nicht einmal Saatgut.«
    Frau Broders fuhr fort, neben Ooti in einer sauberen Reihe Samen in den Boden zu stecken, ich setzte mich auf den Baumstumpf und bohrte mit den Augen Löcher in ihren Rücken. Aber anstatt es bei ihrem peinlichen Kommentar bewenden zu lassen,

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