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Unterland

Unterland

Titel: Unterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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linkes Bein war wieder zu gebrauchen, aber dem Rest von mir fiel es schwer, Tritt zu fassen. Ooti, meine Ooti, nannte die Larsen-Hexen Schätzchen!
    Sie hatten sogar drei kleine Kreuze auf ihrer Parzelle aufgestellt. Natürlich wäre ich nie freiwillig hingegangen, um sie mir anzusehen, aber Ooti wusste ja ohnehin, was draufstand: »Pollux«, »Flora« und »Berti«. Der Hund und die beiden Pferde.
    Es wäre ein Leichtes gewesen, zwei Stöckchen zu finden, zusammenzubinden und »Moortje« draufzuschreiben; ich ärgerte mich, dass ich nicht selbst auf den Gedanken gekommen war. Aber es den Larsens gleichtun wollte ich auch nicht. Es musste reichen, dass ich an Moortje dachte, wenn ich die Kreuze für Pollux und die anderen sah.
    Ob Frau Larsen wusste, dass ihre Töchter uns hassten? Wahrscheinlich nicht, denn die drei ließen sich nichts anmerken. Zwar hatte ich sie weder mit Henry noch mit Leni reden sehen, und mit mir schon gar nicht, aber Ooti begrüßten und bezwitscherten sie, als hätten sie bei der Flucht auch eine Großmutter verloren. Leni zog den Kopf ein und machte sich ganz klein, sobald eine der Larsens angehüpft kam; sie sah aus, als würde sie sich am liebsten bäuchlings in die Pflanzreihe werfen. Dabei beachteten die Hexen sie gar nicht.
    »Frau Siiievers, Mami fragt, ob Sie einen Tee möchten! « – »Frau Siiievers, Mami fragt, ob Sie Möööhrchen übrig haben!«
    Es war nicht zum Aushalten. Besonders wenn man auf einem Baumstumpf saß und als Einzige nicht arbeitete, weil nun mal nicht jeder auf Knien rutschen kann. Es war ein bisschen so, als wäre man gar nicht dabe i … oder als wäre man einer der Winters.
    Winters waren das alte Ehepaar auf der Parzelle zwischen Larsens und uns. Ausgerechnet zwischen zwei Parteien Flüchtlinge hatte die Stadtverwaltung sie gepackt! Mit knapper Not rangen sie sich zu einem Guten Morgen durch, wenn Ooti sie grüßte; da sowohl der Helgoländer als auch der Hamburger Gruß im Allgemeinen aber Moin! lautete, war Ooti nicht ganz sicher, ob die kaum hörbar gemurmelte Antwort der Winters nicht in Wahrheit auf dumme Horden! hinauslief.
    Die Parzellen waren klein, sehr klein. Winters mochten beim Harken und Säen noch so sehr den Kopf senken, ich hörte trotzdem, was sie einander zuraunten: »Das werden ja immer mehr. Jetzt sind es plötzlich schon zwei Jungen! Das heißt sieben Persone n – sieben Personen auf der kleinen Parzelle!«
    »Acht«, sagte ich. »Zu Wim gehört auch noch ’ne Mutter.«
    Sie zuckten zusammen, verharrten kurz, und gruben dann wie auf Startschuss gleichzeitig ein bisschen schneller, um zu signalisieren, dass entweder sie oder ich gar nicht da waren.
    Morgen komme ich nicht mehr mit, dachte ich missmutig.
    Ich legte die Hand aufs linke Knie, spürte die Schnallen der Prothese und fragte mich, wie ein Kunstgelenk sich anfühlen mochte, ob man damit knien konnte und ob es mit der Zeit womöglich anfing zu quietschen. Aber weit kam ich nicht; zwischen den Schnallen nahm mein Knie augenblicklich Kontakt auf und gab mir streng zu verstehen, dass jeder Zentimeter von ihm noch lebte und seine Aufgaben hatte und ich nicht ganz bei Trost sein musste, mir auch nur einen Moment einzubilden, es ließe sich mir nichts, dir nichts abschneiden!
    »Sieh mal an, ihr setzt ja auf Tabak.«
    Meine Niedergeschlagenheit wurde keineswegs geringer, als ich zusah, wie Wim, kaum dass er und Henry mit dem Aufbau der Bettgestelle fertig waren, ganz selbstverständlich zu Larsens hinüberschlenderte. Die drei Hexen sprangen entzückt auf, ihre blonden Zöpfe wirbelten, als wollten sie Seile um ihn werfen.
    »Kennst du dich aus?« Im Nu war Wim umringt.
    »Hab natürlich schon Selbstgedrehte probiert«, hörte ich ihn sagen. »Sind in Ordnung, wenn sie richtig getrocknet werden. Aber ich persönlich bleibe doch bei meinen Chesterfields.«
    Er zog eine zerdrückte Packung aus der Tasche, klopfte sich eine Zigarette heraus und bot Larsens ebenfalls welche an. Die drei griffen höflich zu, rauchten aber nicht selbst, sondern standen unter den wachsamen Augen ihrer Mutter mit den Amis in den Fingern da, als ob es sich um Kerzchen handelte.
    Wim paffte wie Graf Klecks. »Wim Wollank der Name. Und wer seid ihr?«
    »Sigrid, Sonja, Silvia«, zwitscherten die Hexen und stießen sich gegenseitig an. »Aus Naugard, und du?«
    »Was, Naugard? Daher kam meine Großmutter!«
    »Deine Großmutter! Mami, hast du gehört, seine Großmutter kam aus Naugard!«
    »Wie hieß denn deine

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