Unterm Kirschbaum
auf Weiteres untersagt sei, da seine zunehmende Gewaltbereitschaft die Entwicklung von Leon und Leonie gefährde und seine mangelnde Impulskontrolle zur Sorge Anlass gebe, er könnte sie misshandeln.
»Noch eine Rote Karte«, murmelte Klütz. Es war perfide, ihm zu unterstellen, er würde mit den Kindern so umgehen wie mit seinen Gegnern auf dem Fußballplatz, aber natürlich hatten sich Rebecca und ihre Anwältin diese Vorlage nicht entgehen lassen.
Klütz war in der Stimmung, aus dem Fenster zu springen oder sich sonst wie umzubringen, so unerträglich war sein Zustand. Doch er war nicht der Typ zum spontanen Suizid, er war eher jemand, der sich in sein Schicksal ergab. Wenn man verlor, verlor man eben, und wenn der Schiedsrichter einen Elfmeter gegen einen verhängte, obwohl man den Gegenspieler, der sich vor Schmerzen am Boden krümmte, überhaupt nicht berührt hatte, nahm man das gottergeben hin. Das Einzige, was er sich nach deftigen Niederlagen erlaubte, war eine Vollnarkose, das heißt, er trank so lange, bis er umfiel und alles vergaß. Meist begann er mit Bier, dann folgten die härteren Sachen.
Er hatte gerade die erste Flasche ausgetrunken, da klingelte es an der Wohnungstür. Er fuhr hoch. Sandra? Doch noch. Hatte er sich also geirrt. Er lief zur Gegensprechanlage, nahm den Hörer ab, rief sein übliches »Ja, bitte …?« und hoffte, ihre Stimme zu hören. »Du …?«
»Nein: Ich. Kriminalpolizei.«
Klütz wusste sofort, was das bedeutete: Sie kamen in der Sache Schulz. Jemand hatte ihnen einen Tipp gegeben, entweder jemand aus Frohnau, Wiederschein oder diese fürchterliche Nachbarin, oder Rebecca und ihre Anwältin. Vielleicht auch Sandra selbst. Er drückte auf den Türöffner. »Kommen Sie rein …«
Die Kriminalbeamten kamen die Treppe herauf und stellten sich vor. Klütz fand sie beide nicht berauschend. Der Jüngere, der auf den komischen Namen Schneeganß hörte, schien ihm auf den ersten Blick ein arrogantes Arschloch zu sein, und der Ältere, Hinz, ein dementer Schluffi.
»Wir sind wegen Schulz bei Ihnen«, begann Schneeganß, als sie am Wohnzimmertisch Platz genommen hatten. »Sie kennen Siegfried Schulz?«
Klütz gab sich gleichmütig. »Sandras Mann, natürlich.«
»Und wie gut kannten Sie ihn?«
»Vom Sehen, aus der Ferne sozusagen.«
»Vom Sehen, aus der Ferne sozusagen«, wiederholte Hinz.
»Ja.« Klütz verstand nicht, was daran so besonders sein sollte.
Schneeganß legte seinen ersten Trumpf auf den Tisch. »Und Sie waren nicht in der Nacht vor seinem Verschwinden bei Schulz im Gästehaus des ›à la world-carte‹?«
Klütz zuckte zusammen. Die Schlinge legte sich um seinen Hals. Was sollte er machen: den Beamten die Wahrheit sagen oder alles abstreiten?
Die Wahrheit hätte sich wie folgt angehört: ›Ja, ich war in der Nacht vor seinem Verschwinden bei Schulz drüben im Gästehaus des ›à la world-carte‹. Als ich auf meinem Grundstück war, um den Baufortschritt zu überprüfen, habe ich gesehen, wie ihm Wiederschein sein Zimmer gezeigt hat. Ich bin erst einmal nach Hause gefahren, habe mich aber mächtig gelangweilt, weil Sandra in Mailand war. Da bin ich ein zweites Mal nach Frohnau gefahren, um mit Schulz zu reden. In aller Ruhe und unter vier Augen. Unser Gespräch muss so zwischen 1 und 2 Uhr nachts stattgefunden haben. Wir haben uns eigentlich prima verstanden, nur eines wollte Schulz nicht: Sandra freigeben. Schließlich bin ich wieder nach Hause gefahren. Fürchterlich enttäuscht, und irgendwie habe ich ihn auch gehasst, aber passiert ist nichts.‹
Diese Wahrheit schien Klütz aber zu riskant zu sein, sodass er sich dafür entschied, alles abzustreiten.
»Nein, natürlich war ich nicht bei Schulz. Wozu denn auch? Dass er Sandra nicht freigeben würde, war von vornherein klar.«
Hinz hakte nach. »Sie behaupten also, in der Nacht vor seinem Verschwinden nicht bei Schulz im Gästehaus des ›à la world-carte‹ gewesen zu sein?«
»Das ist doch lächerlich, dass Sie mir den Mord an Schulz anhängen wollen!«, rief Klütz. »Nur weil ich von Haus aus Gärtner bin und der Gärtner immer der Mörder ist.«
»Wieso reden Sie von Mord?«, fragte Schneeganß. »Schließlich ist Schulz am Morgen quietschvergnügt und höchst lebendig in seinem Porsche davongefahren.«
Klütz verstand nun gar nichts mehr und fühlte sich mächtig ausgetrickst. »Aber warum sind Sie denn hier …?«
»Weil wir Haare von Ihnen im besagten Zimmer von Schulz gefunden
Weitere Kostenlose Bücher