Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
eine eigenartige Idee in den Kopf. Den kenne ich doch, dachte er.
Er überlegte, und plötzlich sprudelte es aus ihm heraus.
„Mensch, jetzt erkenne ich dich! Bist du nicht Neil?“
„Ja, ja“, sagte dieser freudig überrascht „und wer bist du?“ Es kam Leben in Neils Gesicht.
„Ich bin Bradley.“
„Von Cecilia?“
Jetzt war sich Bradley ganz sicher, dass er Neil vor sich hatte.
„Genau, der bin ich.“ Bradley wusste nicht, was er vor Freude sagen sollte und schüttelte vor Begeisterung Neils Hand. Dann schaute er auf die alte kranke Frau. „Setz die Frau auf mein Pferd. Es ist noch ein Stück zu laufen.“
Doch Neil wehrte ab. „Nein, lass nur. Sie ist zu schwach und fällt runter! Sie hat keine Kraft mehr, um sich festzuhalten.“
Bradley hatte die Idee. „Weißt du was, ihr setzt euch hier ins Gras, und ich hole Hilfe.“
„Oh, dass ist eine gute Idee“, meinte Neil.
Bradley schwang sich auf Floh, und als er losreiten wollte, rief ihm Neil noch eine Frage hinterher.
„Ist Sabrina da?“
Schon im Wegreiten rief Bradley laut: „Ja.“ Wie vom Teufel gejagt, ritt Bradley zur Farm zurück.
Neil setzte sich mit Benala ins Gras. Neben ihnen plätscherte ein kleiner Bach. Er erfrischte sich und gab auch Benala nochmals aus seiner hohlen Hand Wasser. Danach wusch er seinen Körper von dem roten Staub sauber. Mit Googanas Messer kürzte er seine Haare und den Bart, so wie er es von ihm gelehrt bekommen hatte. Seinen Lendenschurz band er neu und freute sich auf ein Wiedersehen nach so langer, langer Zeit. Vielleicht hatte Sabrina ihn vergessen? Was wollte er tun, wenn sie mit einem anderen Mann verheiratet war? Da war doch dieser Jeremy? Neil wird wohl nie diesen Namen vergessen! Zweifel plagten ihn.
Sabrina war gerade dabei, den Pferdestall mit Bobs Hilfe auszumisten. Mit der Schubkarre in der Hand balancierte sie über den Hof. Sie sah Bradley schon von weitem kommen.
Mein Gott, der spinnt wohl. Der bricht sich den Hals, wenn er stürzt, dachte Sabrina beunruhigt. Sie ließ ihre Karre stehen, um sich ihm in den Weg zu stellen.
Vor ihr kam Bradley mit Floh zum Stehen.
Sabrina wollte gerade mit ihrer Moralpredigt beginnen. „Bist du denn von allen guten Geistern verlassen, wie kannst...“
„Sabrina, ich habe Neil gefunden“, unterbrach er ihre Schimpfkanonade.
Sabrina war so schockiert über eine so geschmacklose Ausrede, dass sie sich umdrehte und sich wieder ihrer Arbeit zuwandte. „Hör mit dem Quatsch auf Bradley, darüber macht man keinen Scherz.“ Sie packte ihre Karre, während Bradley sie am Arm zog.
„Sabrina, bitte – bitte glaube mir“, flehte er sie an, „Neil ist mit einer alten, kranken Aborigines Frau dahinten.“ Dabei zeigte er mit der Hand aufgeregt in Richtung Osten.
Sabrina stellte wieder ihre Karre ab, richtete sich auf und drückte beide Hände in die Seiten ihrer Hüften. „Bradley, wer weiß, was du gesehen hast, aber auf keinen Fall Neil. Er ist mit einem ganzen Stamm von Aborigines losgegangen und zwar in das Landesinnere, demnach kommt er nicht aus der Richtung“, dabei zeigte sie nach Osten, „sondern aus der entgegengesetzten Richtung, nämlich vom Westen, alles klar? Und nun lass mich arbeiten.“
Bradley verzweifelte bald an Sabrina.
„Dann sorge doch wenigstens dafür, dass den beiden da draußen geholfen wird“, schrie nun Bradley, den Tränen nahe.
Sabrina wischte sich ihre Hände an der Jeans ab, und ging in den Stall, um ein Pferd zu holen. „So, du Nervensäge, nun zeige mir die beiden. Und Gnade dir Gott, wenn es nicht wirklich ein Notfall ist.“
„Du musst den Wagen einspannen, die Zwei sind am Ende ihrer Kräfte.“
„Oh Gott, warum bin ich nur so bestraft mit dem Bengel.“ Kopfschüttelnd tat Sabrina das, was Bradley wollte.
Schweigend ritt Bradley voraus. Er hatte Mühe, die Stelle wieder zu finden. Zumal Neil mit Sicherheit saß, da hatte man Probleme, jemand von weitem zu erkennen. Aber er hatte Glück, in diesem Moment stand Neil auf, um nach Bradley Ausschau zu halten.
Instinktiv zog Sabrina an der Mähne ihres Pferdes, um es zum Stehen zu bringen. Sie ließ sich wie in Trance hinuntergleiten und ging, ohne den Blickkontakt zu verlieren, auf Neil zu. Vor ihm blieb sie stehen. Was ging ihr alles durch den Kopf. Er sieht erschöpft, aber zugleich auch sehr männlich aus. Natürlich dachte sie, es sind ja auch viele Jahre vergangen. Er lächelt mich an. Er erkennt mich also noch. Was hat er erlebt? Bestimmt auch
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