Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
weiten Ebenen des Hinterlandes.
Kevin wusste auch noch einiges zu den Blue Mountains.
„Ich kann mich daran erinnern, dass mal jemand eine Art Legende darüber erzählt hatte. Ich weiß nicht, ob es stimmt, auch von wem ich es weiß, kann ich dir nicht sagen. Auf jeden Fall handelte es von der Zeit der Besiedlung.
Sträflinge, die ihre Zeit abgesessen hatten, oder die, die sich gut führten, wurden entlassen. Sie bekamen ein Stück Land, weit weg von allen anderen, um sich zu braven Bürgern zu entwickeln. Jedoch stellte die Regierung bald fest, dass es bei den neuen Farmern an Frauen mangelte. So wurde in England ein Schiff auf Reisen geschickt, das voll gestopft war mit Frauen aus englischen und irischen Strafanstalten. Als das Schiff im heutigen Sydney ankam, wurden viele der Frauen bereits im Hafen verkauft. Es ging dort zu wie auf dem Jahrmarkt bei einer Viehauktion. Wer das Meiste bot, bekam eine Frau. Der Rest sollte den ehemaligen Sträflingen, die sich als Farmer niedergelassen hatten, angeboten werden. Doch dazu musste ein Weg über die bis dahin undurchdringlichen Blue Mountains gefunden werden. Die Missionare, die die Frauen begleiteten, hatten den festen Willen, über die Berge zu kommen. Manch einer zweifelte an dem Vorhaben. Keiner glaubte an ihre Rückkehr. Als sie jedoch drei Jahre später mit den wenigen Frauen, die sie nicht loswurden, zurückkamen, wurden sie bejubelt. Man wollte von ihnen die Stelle wissen, wo sie über die Berge gekommen waren. 1815 wurde dann durch Sträflinge mit dem Bau der Straße über die Blue Mountains begonnen.“
Als die Sonne unterging, kamen sie wieder auf dem Parkplatz des Hotels an.
„Es war ein wunderschöner Tag“, flüsterte sie ihm ins Ohr.
„Er ist noch nicht zu Ende. Ich wollte dich noch in ein chinesisches Restaurant entführen.“
„Oh“, sagte sie. „Das letzte Mal, als ich beim Chinesen etwas aß, habe ich in nicht so guter Erinnerung.“
„Wieso, hatte es denn nicht geschmeckt?“
„Doch, sogar ganz köstlich, aber dort habe ich meine Tasche hängen lassen mit sämtlichen Unterlagen und Papieren drin.“
„Und hast du sie wiederbekommen?“
„Ja.“ Und Franziska erzählte ihm von Anfang an die damalige Odyssee.
Kevin schmunzelte, als sie mit ihrer Erzählung fertig war. „Ich kann mir das lebhaft vorstellen, wie du deinen Ekel vor dem Mann überwunden hast.“
„Du irrst dich. In dem Moment, wo er mir meine Tasche gab, empfand ich keinen Ekel, sondern nur Dankbarkeit.“ Sie lachte, als sie in Kevins ungläubiges Gesicht schaute. „Wirklich, Kevin, das kannst du mir glauben. Ich war so froh, dass ich nur Dankbarkeit fühlte, nichts weiter.“
„Dann lass uns nun eine bessere Erfahrung mit Chinesen machen.“
Die zwei Wochen waren schnell vergangen. Freitagmittag klingelten sie bei Mr. Williams.
„Es tut mir sehr leid, aber ich habe noch keine Nachricht aus Irland erhalten. Wir müssen Geduld haben. Ich weiß, Mrs. Winter, dass gerade das Ihnen schwer fällt. Aber ich verspreche Ihnen mein Bestmögliches zu tun, um diese Angelegenheit für Sie zufriedenstellend zu erledigen.“
Sie nickte hilflos.
„Stellen Sie sich vor“, sprach Mr. Williams weiter, „wenn ich jetzt Druck auf meinen Partner in Irland ausübe, bekomme ich von ihm zwar umgehend ein Ergebnis geliefert, aber auf Grund der ungenügenden Recherchen ist es fehlerhaft und das zu Ihren Ungunsten! Das läge mit Sicherheit nicht in Ihrem Interesse, oder? Wollen wir doch meinem Partner soviel Zeit einräumen, wie er dafür benötigt.“
Franziska nickte zustimmend: „Mr. Williams, bitte entschuldigen Sie meine Ungeduld. Sie haben völlig Recht, und ich werde mich gedulden, bis ich von Ihnen höre!“
Wohlwollend nickte Mr. Williams. „So ist es richtig, denn genau das muss ich von Ihnen erwarten können.“
Sie verabschiedeten sich voneinander. Und mit einem unguten Gefühl ging Franziska mit ihrem Kevin die breiten Stufen des Gerichtsgebäudes hinunter.
Warum finde ich keinen Frieden, fragte sie sich immer wieder.
Große Pläne
1956
Es vergingen Monate, und Mr. Williams hatte immer noch nichts von sich hören lassen. Durch die viele Arbeit, die auf der Farm anfiel, wurde Franziska nur äußerst selten an die unangenehme Sache erinnert.
Cecilia gebar eine Tochter. Sie sollte Shirley heißen.
„Bradley, wir möchten gern mit dir reden!“, sagte Fred.
Bradley war ein gut erzogener Junge, und es gab selten Probleme mit ihm. Cecilia und Fred saßen
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