Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
und“, etwas leiser sagte er, damit die Mädchen es nicht verstehen konnten „der Zettel hier lag auf Sarahs Bett. Ich vermute, er meint ihren Rucksack, denn der fehlt auch. Und dieser Zettel lag in der Gelddose.“ Beide Zettel übergab er Sabrina. Sie saß da, wie vom Blitz getroffen und las die wahrscheinlich letzten Zeilen von ihrem Sohn, die mit ungeschickter Kinderhandschrift geschrieben wurden.
„Sabrina“, sagte Kevin „ihr beide seid nun in der Pflicht, es der Polizei zu melden.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nein, von mir kann das keiner verlangen, dass ich mein eigenes Kind der Polizei ausliefere.“
„Es muss sein, sobald eine Waffe ins Spiel kommt, machst du dich mitschuldig, falls damit Personen verletzt werden.“
„Das ist mir egal. Ich melde es niemand. Es kann machen wer will, ich jedenfalls nicht.“ Damit stand sie auf und ging ins Bett.
Auch Franziska und Kevin gingen. Sie nahmen Shirley und Sarah mit, die in Sabrinas altem Bett schlafen sollten.
Neil und die anderen Männer blieben aber noch sitzen, um die angefangene Flasche zu leeren.
Neil war das erste Mal betrunken. Aber sicherlich nur wegen des Kummers.
„Trinken wir das letzte Glas von diesem guten Tropfen auf meinen verlorenen Sohn. Warum musste es nur soweit kommen? Was habe ich falsch gemacht?“
Das waren die Worte eines sehr verzweifelten Vaters.
Randys Abstieg
Randy ritt über die Brücke, die über das ausgetrocknete Flussbett ging. Er fand es immer komisch, dass mitten in der Landschaft eine Brücke stand. Aber schon konnte man erahnen, dass hier bald wieder ein reißender Fluss seinen alten Weg beanspruchte.
Er überlegte sich, wo er hinreiten sollte. „Nach Brisbane wäre dumm, dort kennen mich zu viele, das gleiche gilt auch für Sydney. Hätte ich doch besser in der Funkschule aufgepasst, verdammt. Wie hieß doch nur die nördliche Stadt an der Ostküste? Care? nein, Carnal? Cairn? Ich hab’s Cairns. Ja“, jubelte er „da will ich hin, nach Cairns. Wenn es mir dort gefällt, geh ich vielleicht auf ein Schiff und fahre nach Deutschland. Mum und Grandma würden vielleicht gucken, wenn sie erfahren würden, dass ich wieder in ihrer alten Heimat bin. Dort ist es bestimmt viel schöner.
Aber vielleicht ist es auch gut, wenn ich hier bleibe, und ungefähr in einem Jahr lasse ich mich wieder blicken. Es wäre doch möglich, dass mir dann keiner mehr böse ist und sie freuen sich, wenn ich wieder zurück bin?“
Randy ritt immer Richtung Norden. Nach einigen Wochen waren die Lebensmittelvorräte verbraucht, und er schwenkte ab nach Osten an die Küste. In der Ferne erkannte er eine große Stadt.
„Das ist mit Sicherheit Cairns.“
Aber als er näher kam, stellte er mit Enttäuschung fest, dass er erst in Townsville war.
Bisher hatte er die drei Flaschen Rum noch nicht angerührt. Aber die Enttäuschung eben war zu groß. Damit er seinen Kummer darüber besser ertragen konnte, nahm er einen großen Schluck von Daddys Rum.
Zuerst rang er nach Luft. Er hatte ein Gefühl im Hals, als verbrannte er. Dann merkte er, wie angenehm warm es im Bauch wurde, und kurz darauf spürte er im Kopf ein leichtes Drehen. Er fand das Gefühl gut und probierte daher noch einen kleinen Schluck. Und so wiederholte es sich immer wieder. Er lag auf seinem Pferd, da er nicht mehr in der Lage war, aufrecht zu sitzen.
Am Stadtrand band er das Pferd an einem Zaun fest und legte sich zum Schlafen daneben. Im Arm hielt er die bereits zur Hälfte geleerte Flasche Rum.
Doch als er wach wurde, schmerzte sein Kopf sehr stark. Ihm war übel, und er musste sich an Ort und Stelle übergeben. Zu allem Unglück stellte er mit Schrecken fest, dass alles, was er besaß, gestohlen war. Er war sogleich putzmunter. „Ihr Schweine“, schimpfte er laut und trat dabei an den Zaun „nichts habe ich mehr, warum habt ihr mich nicht gleich umgebracht, was soll ich nun machen?“
Keine Sachen, kein Schlafsack für kalte Nächte, kein Geld, keine Waffe und kein Pferd und keinen Rum. Tränenüberströmt ging er in die Stadt.
„Da muss ich mir eben alles wieder klauen“, schimpfte er vor sich hin, „und dann werde ich es euch zeigen.“
Aber wem er es zeigen wollte, wusste er natürlich nicht. Die nächsten Monate waren für Randy enttäuschend. Es gelang ihm nicht, sich irgendeiner Clique anzuschließen. Er war ein Einzelgänger, und diese leben in der Stadt sehr gefährlich. Durch gelegentliche Diebstähle hielt er sich über Wasser und
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