Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
die Tage auf dem Schiff. Genau das war es, was sie wollte für ihre Tochter und für sich. Wärme, immer nur Wärme und nie mehr frieren. Die Tage vergingen für sie wie im Fluge. Langeweile war für sie ein Fremdwort, mit dem sie nichts anzufangen wusste. Sie spielte mit ihrer Tochter, lernte fleißig die englische Sprache und übte mit Sabrina gemeinsam Vokabeln. Mitunter faulenzten sie auch. Sie befasste sich, auf Anraten des Kapitäns auch mit Französisch, Spanisch und zum Teil mit Chinesisch. Die drei anderen Sprachen lernte nur Franziska.
Nach der Frage, wozu sie diese benötigte, antwortete der Kapitän: „Es ist doch nicht zum Schaden, oder?“
Manchmal glaubte sie, in ihrem Fremdsprachenkurs einfach nicht weiterzukommen. „Das begreife ich nie“, stöhnte Franziska.
Doch der Kapitän machte ihr Mut und erklärte ihr die drei Schritte, die jeder durchmachte, der eine Fremdsprache erlernte.
1. Englisch hören und erfassen, geistig ins Deutsche übersetzen und in Deutsch niederschreiben.
2. Englisch hören und ohne geistige Übersetzung erfassen und ins Deutsche niederschreiben.
3. Englisch hören und erfassen und in Englisch nieder
schreiben.
„Sie sind mit Ihrem Lernen zurzeit in der zweiten Phase. Also haben Sie noch ein wenig Geduld mit sich.“ Den wahren Grund für die vielen Fremdsprachen, die sie erlernte, verriet er ihr aber noch nicht. Eines Tages kam Kapitän Ignatz und meinte: „Schauen Sie, da vorn sieht man schon Ceylon (ab 1972 Sri Lanka). Wir werden dort in Colombo vor Anker gehen und nehmen frische Lebensmittel, Wasser und andere Handelsgüter an Bord. Wenn Sie möchten, können Sie wieder an Land gehen. Rainer wird Sie begleiten, falls Sie es wünschen.“
„Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen, in Kapstadt war der Markt faszinierend, und hier wird er nicht weniger interessant sein. Ich glaube, nach allem, was ich gehört habe, sollen die fernöstlichen Basare die schönsten sein!“
„Das kann man wohl sagen, wer einmal ihrem Zauber verfallen ist, wird ihn nie mehr vergessen. So ein Basar ist einfach mit nichts in der Welt zu vergleichen.“
„Ich freue mich schon darauf, und natürlich würde ich mich freuen, wenn Rainer wieder unser Begleiter ist. Wissen Sie übrigens, wie gut er handeln kann?“
„Oh ja, keiner ist in dieser Sache besser als er. Er hat, so glaube ich, eine Gabe Gottes.“ Beide lachten.
„Mami, warum lacht ihr?“, wollte Sabrina wissen.
„Wir lachen, weil es schön ist zu lachen und weil ich mich freue, mit dir und Rainer auf den Basar gehen zu können.“
„Mami“, erwiderte Sabrina zweifelnd „welcher Basar, hier ist doch nur Wasser?“
„Na, dann schau durch das Fernrohr, kleine Lady und sage mir, was du siehst?“ mischte sich der Kapitän in das Gespräch der Damen ein.
„Oh, da sind ja Palmen!“ rief Sabrina erfreut, „fahren wir da hin?“
„Ja, und dort werden wir einen Basar besuchen.“
Sabrina sprang aufgeregt vom Stuhl, legte das Fernrohr darauf und strich sich mit der Hand durch die blonden, wild herunter hängenden Locken. „Mami schnell, wir müssen uns schön anziehen, wenn wir dort spazieren gehen wollen.“
„Kleines, wir haben noch viel Zeit dazu“, erwiderte liebevoll Franziska „wir werden erst morgen früh dort sein.“
„Schade, noch sooo lange“, meinte Sabrina und schaute etwas trotzig zum Kapitän, als ob er jeden Moment sagen würde, ‚wir gehen heute an Land’. Aber nichts dergleichen geschah. Nachdenklich verließ Sabrina den Kommandostand und schaute sehnsüchtig über die Reling in Richtung Land.
Endlich war es dann soweit, sie gingen in Colombo von Bord, um den dortigen Basar zu bewundern. Sie konnten sich gar nicht satt sehen. Kein Stand wurde ausgelassen, alles wurde genau angesehen. Natürlich handelte Rainer wieder die Preise so sehr runter, bis Franziska dachte, dass der Preis nun niedrig genug war.
„Beim nächsten Stand würde ich es gern selbst versuchen!“
Rainer staunte. Er glaubte, sich verhört zu haben. „Ist das Ihr Ernst, Mrs. Winter? Wo Sie doch so sehr gegen das Handeln sind.“
„Man lernt eben immer dazu“, antwortete sie lachend. Franziskas erstes Versuchsobjekt war ein wunderschöner Seidenschal, und sie war sehr stolz auf ihren gehandelten Preis.
„Sie lernen wirklich sehr schnell. Wie ein Profi, zielstrebig
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