Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
gebührenden Abstand zu den schwarzen Schönheiten der Natur.
Franziska und Rainer machten auf einer Bank eine kleine Rast.
„Es ist ein komisches Gefühl, wenn unter den Füssen nichts mehr schwankt.“
Er sah sie an und sagte, ohne auf ihren Satz einzugehen: „Franziska, haben Sie eine Vorstellung, wie es bei Ihnen weitergehen soll?“
„Nein, aber ich fürchte mich nicht vor dem Unbekannten. Ich beherrsche einigermaßen die englische Sprache und scheue mich vor keiner Arbeit, egal, welcher Art sie ist. Ich habe gelernt, mich zu wehren, wenn mir jemand etwas Böses tun will. Eigentlich sehe ich meiner Zukunft sehr optimistisch entgegen.“
„Das ist gut, denn diesen Optimismus werden Sie noch häufig benötigen.“
Nach einer längeren Pause sagte sie: „Wenn ich wirklich am Boden bin und nicht ein noch aus weiß, denke ich an die Worte meines verstorbenen Mannes. Er sagte oft: ‚Versprich mir, dass du wie geplant nach Australien fährst, egal, was passiert. Nur dort hat unsere Sabrina eine Chance zum Überleben.’ Und wenn ich mir das Kind heute ansehe, muss ich sagen, er hatte Recht.“
Sie aßen unterwegs ein Sandwich.
„Werden Sie wieder nach Deutschland zurückfahren?“, wollte Franziska von Rainer wissen.
„Ja, auf mich wartet dort eine hübsche Frau und mein Sohn. Er wird nächsten Monat zwei Jahre. Sicherlich sieht er in mir einen Fremden, wenn ich nach Hause komme.“
„Ich wusste gar nicht, dass Sie verheiratet sind?“
„Sie haben mich auch nie danach gefragt! Wir haben während meines Studiums geheiratet. Meine Frau ist Krankenschwester. Aber wenn ich nach Hause komme, hört sie vorerst mit Arbeiten auf. Bis jetzt hatte sie nicht viel von unserem Sohn, denn durch ihre Schichten sieht sie ihn selten. Er wird hauptsächlich von ihren Eltern betreut.“
„Es muss schön sein, wenn man Eltern hat. Mein Mann und ich sind Waisenkinder. Wir haben uns im Waisenhaus kennen gelernt, und als ich einundzwanzig Jahre wurde, haben wir geheiratet. Da Martin zwei Jahre älter war, hat er uns in dieser Zeit ein Heim geschaffen. Wissen Sie, wir hatten“, Franziska machte eine kurze Pause, um den Kloß im Hals wegzuschlucken, „vier Kinder...“ und Franziska erzählte ihm die ganze Geschichte der letzten viereinhalb Jahre. Rainer hörte zu, ohne sie auch nur einmal zu unterbrechen. Es tat ihr sehr gut, sich jemandem anzuvertrauen. Obwohl sie ein gutes Verhältnis zum Kapitän hatte, wusste er doch nichts davon. Es war nicht ihre Art, sich über ihr Schicksal zu beklagen. Aber da Rainer sozusagen fast Arzt war, hatte sie das Gefühl, als spräche sie mit Peter. Bei dem Gedanken an Peter, fiel ihr der Brief ein, den sie im Hafen abgeben wollte. „Rainer, wissen Sie, welches Schiff von hier aus nach Deutschland fährt?“
Rainer schaute sie fragend an, und sie verstand die unausgesprochene Frage und antwortete.
„Ich möchte nur wissen, wo ich diesen Brief an meinen Bekannten in Deutschland abgeben kann. Er soll doch über alle wichtigen Ereignisse informiert sein. Schließlich war es seine Idee hierher auszuwandern.“
„Ich dachte schon, Sie wollten wieder nach ...“
„Nein, nein“ unterbrach sie ihn lächelnd „mein Entschluss und mein Ziel stehen fest.“
Wieder im Hafen angelangt, zeigte Rainer ihr das Schiff, nach dem sie gefragt hatte. Sie erledigte ihre Post, und dann gingen alle drei wieder an Bord der Marie-Ann.
Auf ihrer Fahrt nach Sydney befand sich in nördlicher Richtung die südlichste Küstenlinie von Australien. Franziska hätte nicht erwartet, dass Australien so groß war. Stunde um Stunde immer nur das gleiche Bild. Es war sehr heiß, und kein Lüftchen war zu spüren. Die Kleidungsstücke klebten am Körper, und es gab keine Aussicht auf Abkühlung. Es kam Franziska in den Sinn, dass es in der Hölle genauso heiß sein musste. Allerdings war ihr nächster Gedanke die Kälte in Deutschland, die war doch viel schlimmer, und schon empfand sie die Hitze erträglicher.
„Eine furchtbare Hitze, ich glaube, ich würde mich nie daran gewöhnen“, hörte Franziska den Kapitän sagen, der hinter ihr an die Reling trat.
„Ja, ich habe auch so eben daran gedacht, aber dann ist mir die bittere Kälte eingefallen, die in Deutschland sein kann. Da sind mir diese Temperaturen schon lieber.“
„Mrs. Winter, ich möchte Ihnen gern noch etwas beibringen, von dem ich glaube, dass es für Sie sehr wichtig sein könnte. Vielleicht kann dieses Wissen einmal ihr Leben
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