Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
schlafen?“, fragte der Kapitän, der gerade seinen Dienst begonnen hatte.
„Nein, ich habe eine Unruhe in mir, als wäre ich zum ersten Mal verliebt. So ein komisches Kribbeln ist in meinem Bauch.“
„Ach ja, das kenne ich. Sie reden sicher von den berühmten Schmetterlingen.“
„Ja, genau die meine ich.“
„Um Sie auf andere Gedanken zu bringen, hätte ich eine Idee. Falls Sie möchten, erzähle ich ihnen noch ein wenig über Brisbane!“
„Aber sicher, nichts lieber als das.“
„Tja“, begann der Kapitän „viel weiß ich nicht über Brisbane. Nur, dass ein Strafgefangenenlager hierher verlegt wurde. Es waren alles Schwerverbrecher. Man nannte diesen Ort nach dem damaligen Gouverneur von New Südwales, Brisbane. 1859 erhielt diese Region ihre Unabhängigkeit von New Südwales, und man gab diesem Landstrich den Namen Queensland, zu Ehren der Queen Victoria. Brisbane ist inzwischen die drittgrößte Stadt von Australien…“
Glutrot ging die Sonne auf und tauchte das Meer und die Stadt in sanfte purpurne Farben ein. Sie fuhren langsam in den Hafen ein. Beide waren mit dem Ankleiden fertig, auch war alles gepackt. Ihr letztes Frühstück an Bord der Marie-Ann hatten sie beendet. Alle Matrosen standen auf Deck, um die inzwischen lieb gewonnenen Gäste zu verabschieden. Der Kapitän drückte Franziska einen Zettel in die Hand. „Hier steht eine Adresse drauf und eine Empfehlung, für den Fall, dass Sie Schwierigkeiten mit Arbeit oder Unterkunft haben sollten. Am besten, Sie suchen sie gleich auf. Es sind Freunde von mir. Bestellen Sie ihnen einen lieben Gruß. Und keine Angst, hier sind alle Menschen Fremden gegenüber sehr gastfreundlich und aufgeschlossen.“
„Danke.“
„Mr. Cooper ist der Inhaber eines Pubs. Dort könnten Sie ganz sicher ein Zimmer bekommen. Ich würde ja sehr gern mitkommen, aber wir legen Mittag schon wieder ab.“
„Ich komme schon zurecht, machen Sie sich keine Gedanken.“ Als Franziska mit ihrer Tochter an der Hand die Gangway heruntergehen wollte, hielt der Kapitän sie noch einmal zurück.
„Ach, noch etwas Mrs. Winter, bei der Einwanderungsbehörde wird ein Test verlangt.“
„Was für ein Test?“
„Keine Angst, den gibt es schon seit 1901. Es ist ein Diktat von fünfzig Wörtern, aber nicht in der Muttersprache. Deswegen habe ich Ihnen auch noch andere Sprachen gelehrt. Ich habe Ihnen mit Absicht nichts davon erzählt, weil Sie sich sonst zuviel Gedanken gemacht hätten. Wie Sie schon richtig gesagt haben, Sie schaffen das schon.“
Der Kapitän drückte Franziska zum Abschied fest die Hand, und Sabrina fing an zu weinen, denn sie hatte alle, vor allem den Kapitän und Rainer sehr in ihr kleines Herz geschlossen. Auch Franziska liefen die Tränen über die Wangen, als sie dem Kapitän um den Hals fiel.
Ihre zwei Kisten wurden bei der Hafenmeisterei abgegeben, mit dem Auftrag, diese auszuliefern, sobald der Eigentümer eine Unterkunft gefunden hatte. Franziska war froh über diese Regelung, somit brauchte sie sich nicht um das Gepäck zu kümmern. Als sie mit ihrer Tochter über die Gangway ging, hatte sie eigentlich nur das Gefühl der Trauer in sich. Beide drehten sich um und winkten den lieb gewonnen Menschen zu. Der Hafen war nicht so groß wie der von Sydney, aber immer noch gewaltig. Sie stand am Kay, in der einen Hand die Tasche und an der anderen Hand ihre Tochter. „Und wie geht es nun weiter?“, fragte sie sich etwas ängstlich „wir sind nun auf einem fremden Kontinent, einem fremden Land und in einer fremden Stadt.“
Glückliche Fügung
E i n w a n d e r u n g s b e h ö r d e las Franziska auf einem großen Schild. Sie trat ein, und hinter einem Tresen saß ein Mann an einer Schreibmaschine.
„Guten Tag“, sagte Franziska etwas zögerlich. Aber der Mann reagierte nicht darauf. Es ist wohl das Beste, wenn wir uns auf die Bank setzen und warten, dachte Franziska. Es verging noch einige Zeit, bis sie gefragt wurde.
„Was wünschen Sie, Madam?“
Franziska war so überrascht, dass doch noch jemand Notiz von ihr nahm, dass sie vor Schreck gar nicht wusste, was sie sagen sollte.
„Äh – ich – äh – wir sind gerade mit dem Schiff angekommen – aus Deutschland.“
„So, so aus Deutschland“, sagte der Mann mit einer Stimme, als wenn er jeden Augenblick einschlafen würde.
„Wir haben uns dort ordnungsgemäß abgemeldet, hier sind die Papiere.“
Er nahm ihr die Unterlagen ab und las sie durch. „Hier stehen aber
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