Unterm Messer
hundert Zutaten. Als ich in New York gelebt habe, kannte ich eine Mexikanerin, die darüber nur gelacht hat. „Als ob wir so viel Zeit hätten!“ Man nehme scharfe Chilis und brauche auch milde mit einem süßlichen, würzigen Geschmack. Nicht nötig, ewig lang nach den klassischen vier Sorten zu suchen. Knoblauch dazu, Sesamkörner dazu.
Peter Schilling musste letztlich wohl sterben, weil er sich mit uns getroffen hat. Sam Miller hat einen Teil unseres Gesprächs auf der Bank unter der Burg belauscht. Er war nicht sicher, wie viel Schwester Cordula dem Wissenschaftler erzählt hatte. Er hat ihr Zimmer durchsucht und den Spind in der „Beauty Oasis“. Da war ein Zettel mit der Telefonnummer von Schilling und Hinweisen auf ein Treffen. Er hat ihn dort liegen lassen und die Polizei hat den falschen Schluss gezogen, nämlich dass Cordula und Peter ein Verhältnis gehabt hätten. Wenn Schilling dem Spion Miller wirklich auf die Schliche gekommen ist: Warum hat er uns nichts davon erzählt? Wir werden es wohl nie erfahren. Nat jedenfalls würde ihm zutrauen, dass er Miller erpressen wollte. Aber was Schilling angeht, ist Nat nicht besonders objektiv.
Ich rühre die enthäuteten, entkernten Tomatenstücke ein und nehme die Hitze zurück. Endlich wieder einmal ein Gericht, für das ich Oskars großen Steinmörser verwenden kann. Eine Handvoll ungeröstete Erdnüsse, eine Handvoll Mandeln, Nelken, Anissamen, alles möglichst fein mahlen.
Die roten Flecken auf meinem Gesicht sind schon vor zwei Tagen verschwunden. Was passiert wäre, wenn ich keine Brille aufgehabt hätte ... ich darf gar nicht daran denken. Dass die Haut nach der Säureattacke jünger aussähe, kann ich übrigens nicht sagen. Allerdings muss ich zugeben, dass Grünwald und Co bei ihren Behandlungen etwas vorsichtiger sind, als Miller es war. Grünwald ist nach seiner Rettung noch richtig hysterisch geworden. Vor allem als ihm der Polizeiarzt eine Beruhigungsspritze verpassen wollte. Er hat Panik vor den unbekannten Langzeitwirkungen von Botox. Eigentlich bedauert ihn keiner von uns. Karl Simatschek hat erzählt, dass das Gesicht des falschen Professors gespenstisch aussehe: wie eine aufgeblasene Maske, die sprechen kann — auch wenn die Dosis in den Spritzen keinesfalls ausgereicht hätte, um ihn wirklich umzubringen. Es wird eine Zeit lang dauern, bis sich das legt und er wieder zum schönen Schönheitschirurgen wird. Zum Mann, dem die Reichen, die Prominenten und alle, die sein wollen wie sie, vertrauen. Zum Helden, der ihnen ein wenig Jugend zurückgibt. Wenn ihm überhaupt jemals wieder jemand vertraut. Grünwald streitet ab, etwas von den Menschenversuchen gewusst zu haben. Das sei wohl Schilling gewesen, wie tragisch, dass er ihm freie Hand gelassen habe. Ihm sei es bei den genetischen Forschungen nur um Fortschritt zum Besten der Menschheit gegangen. Um längeres Leben, darum, dass Menschen die Chance haben, so jung auszusehen, wie sie sich fühlen, um Gesundheit, Glück und natürlich darum, Mittel gegen Krebs und andere Krankheiten zu finden. Die gengedopten Sportler freilich sagen etwas anderes. Pech auch, dass er sie persönlich untersucht hat.
Gemörserte Nüsse und Gewürze dazugeben, weiterrühren. Oskar kommt und küsst mich hinter das Ohr. Oh, wie ich das mag. Und was ich immer noch für ein schlechtes Gewissen habe. Ich hätte auf ihn und Droch hören sollen. Andererseits wäre Sam dann wohl unbehelligt in die USA geflogen. Alles ist freilich noch immer nicht geklärt. Welche Aufgabe hatten die beiden Männer aus El Salvador in der „Beauty Oasis“ wirklich? Außer wenigen kryptischen Querverweisen auf dem Stick gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Grünwald, gemeinsam mit „El Centro“, tatsächlich in Richtung einer genetisch und psychopharmakologisch aufrüstbaren Kampftruppe geforscht hat. Allerdings ist El Salvador weit. Und die Annahme, dass es dem Boss von „El Centro“ auch um genmodifizierte Superguerilleros gehen könnte, zumindest plausibel. Offiziell heißt es: Die beiden Geschäftsleute von „El Centro“ seien legal in Österreich, der Konzern habe eine Minderheitsbeteiligung an einer der Grünwald-Firmen, man bedaure sehr, was im Umfeld der „Grünwald-Group“ geschehen sei, und überlege, sich zurückzuziehen. Zwei von Grünwalds Forschern sind vor Kurzem nach El Salvador geflogen. Gut möglich, dass sie ihren Partnern von „El Centro“ die Testergebnisse mitgebracht haben. Knobloch versucht ihre Spur
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