Unterm Messer
wenn keiner darauf gekommen wäre.“
„Was also dann?“ Ich sehe die Frau, die mir immer sympathischer wird, an.
Ihr Gesicht wird wieder ernst. „Wenn ich das wüsste ... Sie hat, wie wir anderen auch, in der ,Beauty Oasis‘ Genesende gepflegt. Die Polizei wird nachsehen, mit wem sie es zu tun hatte. Wenn sie hinter irgendein Geheimnis gekommen ist ... “
„Aber nackt in der Sauna? Das riecht nach Verbotenem.“
„Wir haben auch in unserem Haus eine Sauna.“
Sie sieht meinen erstaunten Blick. „Können Sie mir einen Grund nennen, warum wir nicht in die Sauna gehen sollten?“
Ich schüttle den Kopf. „Es gibt sicher einige unter den Gästen, die nicht wollen, dass ihre Rundumerneuerung öffentlich wird.“ „Schwester Cordula war mit Sicherheit keine Erpresserin. Außerdem gehören Schönheitsoperationen heute fast zum guten Ton. Kann schon sein, dass nicht alle gerne darüber reden, aber dem Image schaden sie kaum mehr“, überlegt Schwester Gabriela.
„Hat es Sauna eigentlich schon zur Zeit der Hildegard von Bingen gegeben?“, fällt mir ein.
„Etwas Vergleichbares schon. Sie hat Schwitzbäder empfohlen, aber auch eine Art von Sauna samt Aufguss. Allerdings nicht so viel Hitze.“
„Und womit sollte aufgegossen werden?“
Schwester Gabriela sieht mich nachdenklich an. „In erster Linie mit Lavendelextrakten.“
Ich versuche mich zu erinnern, wonach es gestern Nacht in der Sauna gerochen hat. Es war ein ganz spezifischer Geruch, aber Lavendel ...
„Es hat nicht nach Lavendel gerochen, sondern nach gekochtem Fleisch“, assistiert die alte Nonne. „Kann allerdings gut sein, dass sich Lavendelduft nach einigen Tagen verliert. Ätherische Öle sind flüchtig, vor allem bei hoher Temperatur.“
„Bei Ihnen riecht es nach Lavendel“, denke ich laut.
„Ja. Wir haben gerade Säckchen abgefüllt. Sie waren bis vorgestern hier gelagert.“
„Stellen Sie auch Lavendelauszüge für die Sauna her?“, will ich wissen.
„Ja. Die sind momentan ziemlich populär, wie vieles aus dem Wissen der heiligen Hildegard. Auch wenn es teilweise höchst unsinnig angewendet wird.“
Ich krame in meiner Tasche. Mir ist noch etwas eingefallen. Ich halte der Nonne das Metallplättchen hin, das heute früh in meinem Türschloss gesteckt ist. Ob sie wisse, was das sein könnte.
Schwester Gabriela nimmt das Plättchen und betrachtet es sehr genau von allen Seiten. „Sieht aus wie ein übergroßer Mikrochip.“ Worauf Nonnen heutzutage kommen.
Ich gehe zurück zur ,Beauty Oasis‘ , helles Luxusgebäude, elegant in den Hang integriert, und denke über Lavendel nach. Lavendelduft im Büro der Klosterschwester, Lavendel als Aufgussempfehlung der heiligen Hildegard von Bingen. Ich sollte noch einmal in die stillgelegte Wellnesslandschaft. Ich hab einen ausgesprochen guten Geruchssinn. Gestern war ich abgelenkt. Kein Wunder. - Und was könnte es bedeuten, wenn ich Lavendel rieche? Aber dieser Teil der Schönheitsoase ist wohl von der Polizei versiegelt. Ob die Gäste inzwischen von dem Mord wissen? Diese Frage erledigt sich schon im Eingangsbereich. Die alternde Schauspielerin, deren Name mir nicht einfallen will, gibt ein Fernsehinterview. Ich höre, dass sie etwas von „Wohlfühloase, in die ich mich gerne zur Entspannung und zum Meditieren zurückziehe“ erzählt. Ob es ihr jemand glaubt? Drei Journalisten hängen in den übergroßen weißen Lederfauteuils herum, wohl eher Lokalreporter aus der Gegend, ich kenne sie nicht, aber ich bin zu lange im Geschäft, um mich in ihrem Beruf zu irren.
Regina, die junge Fotografin vom ,Magazin‘, sollte eigentlich auch schon da sein. Losgeschickt mit einem deutlich harmloseren Auftrag. Ich rufe sie am Mobiltelefon an und komme bloß auf ihre Box. Oskar. Ich sollte ihm sagen, dass ich wohl noch einige Tage, jedenfalls bis zum Redaktionsschluss, im lieblichen Steirischen Vulkanland bleiben werde. Außerdem ist es besser, er erfährt die Story von mir als über die Medien. Schon wieder eine Mobilbox. Trotzdem. Es tut gut, seine Stimme zu hören. Ich überlege, die Festnetznummer seiner Kanzlei anzurufen, aber da geht sein Sekretariatsdrachen dran. Also quatsche ich ihm die Box voll. Wenn ich mich recht erinnere, hat er heute Verhandlungen. Wie weit das alles weg ist.
Ich nehme die Stiegen nach unten Richtung Hallenbad und telefoniere dabei mit der Redaktion. Ja, die Meldung vom Tod der Nonne sei schon über die APA gekommen. Sensationell, dass ich dabei gewesen sei,
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