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Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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als sie gefunden wurde. Klar werde das die Aufmacherstory — vorausgesetzt, die Tagesmedien haben mich bis zum Redaktionsschluss unseres Wochenblattes nicht überholt. Ich verspreche, mehr als alle anderen zu haben, und betrete den neuen Wellnessbereich. Der alte, stillgelegte ist deutlich kleiner und liegt genau darunter, einen Stock tiefer. Zwei Frauen in voluminösem Bademantel sehen mich wachsam an. Hat sich schon herumgesprochen, dass ich Reporterin bin? Oder begegnet man heute jedem und jeder sicherheitshalber mit Misstrauen? Die Schiebetür vom Hallenbad ins Freie steht offen. Eine schmale Terrasse, verlassen. Eine weiße Mauer, dahinter eine abschüssige Wiese. Ich überlege. Der Wellnessbereich ist quasi in den Hügel hineingebaut. Ich habe nicht darauf geachtet, hätte im Finstern wohl auch nicht viel gesehen, aber es ist klar, dass auch die alte Wellnessabteilung in den Hang hineingeht. Nur eine Etage tiefer eben. Wenn ich über die Mauer den Abhang hinunter und dann von außen ... Ich sehe mich um. Niemand da. Ich überquere die Terrasse. Mein Herz klopft. Dass ich bei solchen Aktionen auch nie cool bleiben kann. Die Mauer ist höchstens einen Meter hoch. Kein Problem. Ein Kontrollblick die Wiese hinunter. Auch da ist niemand. Ich stütze mich mit beiden Armen auf die Mauer, versuche ein Bein hochzuziehen. Ich sollte mehr Sport machen, aber das muss ich auch so schaffen. Ja. Ich bin mit einem Knie und beiden Händen auf der Mauer, will das zweite Bein hochziehen. Konzentration, Mira. Eine Wahnsinnshitze ist das heute wieder. Irgendwie komme ich in dieser Oase gar nicht aus dem Schwitzen heraus. Jetzt. Plötzlich eine feste Hand auf meiner Schulter. Erschrocken fahre ich herum, komme aus dem Gleichgewicht, strauchle. Falle direkt in die starken Arme eines Mannes mit kurz geschorenen Haaren. Ich rapple mich auf, hole Luft. — Was ich jetzt brauche, ist eine gute Erklärung. Der Typ sieht aus wie ein Bodyguard. Von Grünwald? Nein, für einen Bodyguard wirkt er zu intelligent. Ich räuspere mich. „Ich wollte ..."
    „Ich habe Sie gesucht“, erwidert der Kurzgeschorene mit eindeutig amerikanischem Akzent und lächelt mich an, als wäre es das Normalste der Welt, dass Hotelgäste über die Mauer zu klettern versuchen. Ich kenne den Mann nicht, ich bin mir sicher.
    „Ich bin Sam. Sam Miller. Der Energetiktrainer. Zuständig für den Wellnessbereich, Sie verstehen?“
    Ich fürchte, ja. Nein, ich will nicht in die Sauna. „Ich wollte ... spazieren gehen. Und eine Abkürzung nehmen“, sage ich so selbstsicher wie möglich.
    „Da kommen Sie nirgends hin, Miss Valensky. — Oder Missis?“ Er runzelt die Stirn. Entkommen kann ich ihm jedenfalls nicht. Er ist gut eins neunzig groß, voller Muskeln, höchstens Mitte dreißig.
    „Missis“, antworte ich und hoffe, dass mein Familienstand etwas einschüchternd wirkt. — Quatsch. Es ist nicht anzunehmen, dass am einen Annäherungsversuch plant. Zumindest keinen der klassischen Art.
    „Mein Boss, Mister Grünwald, hat mich geschickt. Er will, dass ich Ihnen persönlich zur Verfügung stehe. Er meint, Sie haben gestern Nacht zu viel Aufregung gehabt.“
    Sieh an, also wohl doch eine Art Security. „Ich schaff das schon. Und danke fürs Festhalten“, sage ich und will an ihm vorbei. Zwecklos. Er macht einen Schritt zur Seite. Im vergangenen Jahrtausend hab ich Basketball gespielt, und das gar nicht schlecht. Ich könnte versuchen, ob ich noch eine Körperfinte draufhab. Schritt nach links andeuten, warten, bis er das Gewicht verlagert, und dann rechts vorbei.
    Er sieht mich mit nahezu flehendem Blick an. „Bitte, der Boss wird ungehalten, wenn nicht geschieht, was er sagt. Es kostet nichts extra. Ich habe an eine Energetikmassage gedacht.“
    Was soll mir eigentlich passieren? Vielleicht kann ich ihn über den Wellnessbereich aushorchen, darüber, ob die untere Sauna in letzter Zeit tatsächlich nie in Betrieb war. Aber ich sollte meine Fotografin suchen. Und bald kommt Vesna. Und ...
    „Es dauert bloß zwanzig Minuten. Sie werden sich fühlen wie neu geboren.“
    Professor Grünwald war gestern nicht eben freundlich zu mir. Er fürchtet eine miese Story im ,Magazin‘. Also beauftragt er seinen amerikanischen Energetiker, mir etwas Gutes zu tun. — Und wenn er mich dadurch davon abhält, Nachforschungen anzustellen, hat er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Er täuscht sich. Sam soll meine Energie auf Vordermann bringen und dann geht es mit neuer

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