Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
Vom Netzwerk:
gut aus.“
    Wenig später gehe ich den Gang entlang und fühle mich wie eine Katze, eigentlich wie eine Großkatze, Panther oder so. Jede Menge entspannte Muskeln, aber jeden Moment sprungbereit. Es ist das Mindeste, Professor Grünwald für diese Sonderbehandlung persönlich zu danken. Ich strebe Richtung Empfangsdesk, überlege, ob ich gleich sein Büro suchen oder ob ich mich an der Rezeption bei ihm anmelden lassen soll. Das geschäftige Treiben unterscheidet sich nicht von dem am Tag davor. Die Journalisten sind abgezogen, zwei jüngere, sehr attraktive Frauen bitten um die Rechnung. Wie haben sie wohl vor ein paar Wochen ausgesehen? Unsinn. Wunder wirken kann Professor Grünwald auch nicht. Die beiden sind wahrscheinlich Models. Ich hab bei der Vorbereitung auf meine Story ein Interview gelesen, in dem ein Topmodel erzählt, dass Fettabsaugung ab Anfang zwanzig in ihrer Branche einfach dazugehöre, ob man wolle oder nicht. Seitlich vor dem Empfangsdesk steht eine herrenlose schwarze Tasche. Hat jemand vergessen. Oder jemand abgestellt, der gleich wiederkommt. Ich sehe genauer hin. Das ist meine Tasche. Ich muss mich täuschen. Ich nütze meine neuen Pantherkräfte für einen Sprung nach vorne, bücke mich. Meine Tasche. Tatsächlich. Ich reiße sie hoch und pflanze mich fauchend vor der Rezeptionistin auf. „Was soll das? Wer hat meine Tasche gepackt und hier abgestellt?“
    Sie sieht mich an wie eine geduldige Lehrerin. „Zimmernummer bitte?“
„301.“
    Sie tippt etwas in den Computer. „Tut mir leid, Sie hatten nur bis heute gebucht. Sie haben das Zimmer nicht rechtzeitig geräumt und da erlauben wir uns ...“
    „Ich habe gesagt, dass ich noch nicht weiß, wie lange ich bleibe. Es hat geheißen, das sei kein Problem.“
    Sie schüttelt den Kopf und lächelt unbeirrt. „Tut mir leid, wir sind voll.“
    Reingefallen, Mira. Deswegen hat Grünwald dir die Traummassage verpassen lassen. Damit jemand ohne deinen Widerstand das Zimmer räumen kann. „Ich will mit Professor Grünwald reden. Und das sofort.“
    „Tut mir leid“, wiederholt sich die Rezeptionistin lächelnd. „Er ist momentan in einer wichtigen Besprechung.“
    „Er wird diese Besprechung umgehend verlassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das lesen will, was ich ansonsten im ,Magazin' über diese Mords-Klinik schreibe.“
    Noch immer bin ich Pantherin. Aber wenn diese Drohung nichts nützt ... Ich sehe mich schon zur ratlosen Stubenkatze degenerieren.
    Die Rezeptionistin nimmt den Telefonhörer, das Lächeln noch immer ins Gesicht geklebt, und dreht sich von mir weg. Sie legt auf und wendet sich mir zu. „Professor Grünwald kann sich frei machen. Für einige Minuten. Und bitte: Wir sind keine Klinik.“ Das mit dem Mord allerdings, das kann sie nicht abstreiten.
    Neben der eleganten Doppeltür aus Eiche ein Schild, auf dem in Goldbuchstaben steht: „Professor Dr. Christoph Grünwald“. Darf ich einfach eintreten? Der Hausdiener, der mich hergebracht hat, ist lautlos im Gang mit dem dicken Teppich verschwunden. Warum sollte ich nicht reingehen? Ich habe einen Termin mit dem Herrn Professor Schönheitschirurg. Ich öffne vorsichtig die Tür und stehe offenbar im Sekretariat. Weiße Regale, der Großteil mit Rollläden davor. Heller Schreibtisch mit PC, Tischchen mit einem Drucker, mächtiger Hochleistungskopierer. Regal mit Glasfront, dahinter Tiegel und Fläschchen. Die Sekretärin ist offenbar beim Mittagessen. Oder unterwegs, um mich abzuholen, und ich bin ihr zuvorgekommen. Ich sehe mir die Fläschchen näher an. Nahrungsergänzungsmittel „nach der bewährten Methode von Professor Grünwald“. Karotin, Zink, Eisen. In den Tiegeln Cremes. Anti-Aging Night Serum, Rejuvenation Balm ... Ich habe sie auch schon in einem Schrank im Foyer gesehen. Nettes Nebengeschäft. Großes Fenster auf den Hang hinaus, links vom Schreibtisch eine Tür, halb offen. Eine Einladung, na klar. Ich stecke meinen Kopf durch die Tür. Das kann nur das Büro von Grünwald sein. Pompöser Eichenholzschreibtisch. Eine Menge Urkunden an den Wänden, viele Bilder. Edler Teppich, hellbraune Sitzgruppe aus feinem Leder. Lebensgroßes Poster einer Frau mit den gängigen Traummaßen in einem knappen Bikini. Trotzdem nicht sexy, eher klinisch, sie scheint eine nahe Verwandte der Skelette in älteren Arztpraxen zu sein. Nur eben etwas verkleidet. Auf der Wand gegenüber ein gleich großes Poster mit einem Mann in Boxershorts. Ob seine Formen angesagte

Weitere Kostenlose Bücher