Unterm Strich
Beschäftigten, vom Facharbeiter bis zum Einzelhändler, gingen der Zivilgesellschaft viel Motivation, Verantwortungsbereitschaft und Leistungswille verloren. Sie repräsentiert keine Minderheit, sondern die Mehrheit der Bevölkerung - und will dementsprechend politisch wahrgenommen werden. Ich werde auf sie zurückkommen.
Was die Interessenrivalität zwischen Gegenwarts- und Zukunftsinteressen im Altersaufbau der Gesellschaft angeht, wollen weder die Jungen noch die Alten einen Generationenkonflikt austragen - und man sollte ihnen einen solchen auch nicht anheften. Eine empirische Studie des Max-Planck-Instituts für Demographie kommt allerdings zu dem alarmierenden Ergebnis, dass es Älteren in zunehmendem Maße gleichgültig sei, wie es jungen Familien, Heranwachsenden und Studierenden gehe. Diese Älteren sind aber zukünftig ein entscheidendes Wählerpotenzial.
Schließlich teilt sich die Gesellschaft in jene, die in der digitalen Welt moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zu Hause sind, sich vernetzen und Wissensvorsprünge erwerben können, und die modernen Analphabeten, denen dieses Medium verschlossen ist. Die einen surfen im Cyberspace, und die anderen bleiben am digitalen Wegesrand zurück.
Diese Spaltung erhält ihrerseits Auftrieb in einer Zeit, in der Beschleunigung ohnehin viele atemlos macht, in der die Erkenntnis wächst, dass es Sicherheit als »Dauerzustand« und auf Lebenszeit nicht mehr geben könnte. Zugleich kollidieren die Erwartungen an den Sozialstaat zunehmend mit seinen Ressourcen. Gleichzeitig fallen Institutionen, die Regeln vorgeben, und eine Politik, die Werte vermittelt, aufgrund eigenen Versagens entweder aus, oder sie werden in einem antietatistischen und marktzentrierten Verständnis so weit diskreditiert, dass sie sich nicht mehr entfalten können. Der Politologe Franz Walter spricht davon, dass die integrativen Strukturen dezimiert und die sozialen Räume von kohärenten Normen, Einrichtungen und Assoziationen entleert werden. Wenn man in einer Demokratie und Nationalökonomie vornehmlich einen Großkonzern sieht - also das Ordnungsmodell einer sozialen Marktwirtschaft auf ein Geschäftsmodell reduziert - und dieser Vorstellung propagandistisch durch die Reduzierung von Politik auf Steuern, Kosten und Effizienz Vorschub geleistet wird, darf man sich über ein solches Ergebnis nicht wundern.
Während auf der einen Seite die Probleme zunehmender Spaltungstendenzen in der Gesellschaft neben dem Klimawandel und den entfesselten Finanzmärkten als größte Bedrohung für eine sichere Zukunft empfunden werden, wächst auf der anderen Seite die Sehnsucht nach einem »großen Wurf«, einem »grand design« oder einer »mitreißenden Vision«. Zwischen diesen beiden Tendenzen muss die Politik zunehmend hilflos wirken. Der Verlust von Vertrauen in die Lösungskompetenz der Politik droht in Gleichgültigkeit umzuschlagen, ja am Ende in ernste Zweifel an der Demokratie und unserem wirtschaftlichen Ordnungsmodell.
Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich in Deutschland stärker geöffnet als in fast allen anderen europäischen Ländern. Der Anteil der Menschen, die über 200 Prozent des mittleren Einkommens (Median) verfügen, hat zwischen 1996 und 2006 um 6,4 Prozent auf 9,2 Prozent zugenommen. Zugenommen hat auch der Anteil derjenigen, die weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens in der Tasche haben - nämlich von 7,3 auf 11,4 Prozent. Wer die Entwicklung der Lohnquote, also des Anteils von Löhnen und Gehältern an der jährlichen Wirtschaftsleistung, in den letzten Jahren verfolgt hat, wird darüber nicht verwundert sein können. Sie ergibt zusammen mit der Quote aus Gewinnen und Kapitaleinkünften 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Diese Lohnquote ist zwischen 1998 und 2007 von 70,4 auf 64,2 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit der Vereinigung zurückgegangen. 2009 hat sie sich auf 67,5 Prozent erholt. Dagegen ist die Gewinnquote auf Rekordhöhen geklettert. Hinter den harmlos anmutenden Prozentsätzen stehen bei einer Wirtschaftsleistung von 2400 Milliarden Euro erhebliche Beträge in absoluten Zahlen.
Die Ursachen dieser massiven Verschiebungen zu Gunsten von Gewinnen und Kapitaleinkünften und zu Lasten von Löhnen und Gehältern erschließen sich verhältnismäßig leicht. Die realen Löhne und Gehälter der abhängig Beschäftigten sind fünf Jahre hintereinander, von 2004 bis 2008, gesunken. Unter Berücksichtigung der
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