Unterm Strich
seiner Erhöhung auch gezielt den Kindern jeweils zugutekommt. Man kann sich hierüber trefflich die Zähne langziehen und eine Kindergelderhöhung von monatlich 10 Euro in zwei Schachteln Zigaretten, zwei Bier in der Kneipe oder drei ausgeliehene Videofilme übersetzen. Aber damit verheddert man sich im Dickicht überwiegend falscher Verdächtigungen und flugs einsetzender Empörungen. Man muss allerdings wissen, dass jährlich insgesamt bereits 30 Milliarden Euro Kindergeld ausbezahlt werden und allein dessen Erhöhung samt Kinderfreibetrag zum 1. Januar 2009 insgesamt weitere 2,1 Milliarden Euro gekostet hat.
Damit springt einen geradezu die Frage an, ob es überhaupt eine Fühlbarkeit - komplizierter ausgedrückt: einen Grenznutzen - einer solchen Erhöhung für das einzelne Kind gibt. Selbst wenn man diese Frage mit Ja beantwortet, bleibt zu bewerten, ob es besser ist, diese 2 Milliarden Euro mit der Gießkanne auf jedes einzelne Kind zu verteilen - oder ob diese beträchtliche Summe nicht besser in den Ausbau und eine kostengünstige Nutzung der Betreuungsinfrastruktur für alle Kinder fließen sollte. Eine Familie mit zwei Kindern unter sechs Jahren und einem Jahreseinkommen von etwa 45 000 Euro zahlt in manchen Städten jährlich über 1500 Euro Kindergartengebühren (Spitzenwert: über 2600 Euro).
Ich habe dazu eine Meinung und habe keine einzige Veranstaltung erlebt, wo nicht nach einem Plädoyer für den Ausbau der Kinderbetreuung der Beifall in Orkanstärke aufbrandete. Politisch habe ich im Sommer 2008 auf Granit gebissen, und zwar selbst in den eigenen Reihen, die es der CDU/CSU nicht überlassen wollten, die Augen der Wähler mit einer Anhebung des Kindergeldes zum Glänzen zu bringen. Die schwarz-gelbe Koalition hat diesen Unsinn inzwischen mit einer weiteren Erhöhung des Kinderfreibetrags um etwa 1000 Euro und des Kindergeldes um 20 Euro zum 1. Januar 2010 vorangetrieben und feiert das als fulminante familienpolitische Leistung.
Natürlich darf man nicht nur isoliert das Kindergeld einfrieren. Es geht dann auch um die Kinderfreibeträge. Die stehen unter dem Schirm zweier Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Allerdings sind diese Mitte der neunziger Jahre ergangen, und seitdem haben sich nicht nur die Zeiten, sondern auch die Probleme und ihre Wahrnehmung deutlich verändert. Wenn sich die Politik dazu durchränge, auch die Kinderfreibeträge einzufrieren, aber gleichzeitig den Nachweis erbrächte, dass sie bereit ist, das Existenzminimum der Kinder durch kostenlose Betreuungsplätze, Ganztagsschulen, Schulspeisungen, Lernmittelfreiheit, Erziehungskurse für Eltern in Kindergärten oder Sprachkurse (nicht nur für Migrantenkinder!) zu sichern, dann würde ich es auf die verfassungsrechtliche Überprüfung eines solchen Weges ankommen lassen. Ein solcher Einsatz von Finanzmitteln wäre jedenfalls weitaus zielgenauer und würde nicht zuletzt auch Fehlanreize korrigieren.
Hinter vorgehaltener Hand gilt es nicht als abwegig, dass die Addition von Kindergeld, Elterngeld und eventuell Geschwisterzuschlägen bei drei, vier oder fünf Kindern, womit das Familieneinkommen beträchtlich erhöht werden kann, eine stark motivierende Wirkung für die Zuwanderung nach Deutschland hat. In manchen Teilen der Welt erscheinen wir mit einer solchen Förderung wie das Eldorado. Die politischen Fettnäpfchen, in die man mit solchen Hinweisen tritt, erweitern sich zu ganzen Schüsseln, wenn man dann auch noch hinzufügt, dass der wachsende Geldsegen für Kinder in einkommensschwachen und bildungsfernen Schichten nicht zu weniger und besser gebildetem Nachwuchs führt, sondern noch mehr bildungsferne Kinder hervorbringt.
Der Kampf gegen Kinderarmut wird nicht automatisch über höhere Sozialtransfers gewonnen. Fachleute behaupten sogar das Gegenteil: dass sich dann der Trend einer hohen Geburtenrate in einkommensschwachen und bildungsfernen Schichten noch weiter verstärken würde, weil die familienpolitischen Transferleistungen den Charakter eines »Erwerbseinkommensersatzes« annehmen, mit der Folge, dass noch mehr Kinder in materiell prekäre und bildungsferne Verhältnisse geraten. Während 26 Prozent der Frauen ohne jeden Berufsabschluss drei und mehr Kinder haben, gilt dies nur für 10 Prozent der Frauen mit höheren Abschlüssen. Ein heikles Thema, streitbefangen und konfliktgeladen.
Auf Dauer hält es unsere Gesellschaft kulturell nicht aus und finanziell nicht durch, 10 Prozent der Bevölkerung, mit eher
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