Unterm Strich
steigender Tendenz, über Wasser zu halten, indem individuelle Hilfsgelder zur Mindestabsicherung verteilt werden, die an den Ursachen der Hilfsbedürftigkeit selten genug etwas ändern. Finanziell stößt dieses System individueller Transferzahlungen umso eher an Grenzen, je weiter die Zahl der Anspruchsberechtigten zunimmt und die Sozialhilferegelsätze gesteigert werden, worüber dann noch mehr Anspruchsberechtigte in das System »hineinwachsen«. Das hat eine uferlose Perspektive, zumal politische Parteien nicht dagegen gefeit sind, Überbietungswettbewerbe zu veranstalten.
Organisatorisch spricht mittlerweile mehr gegen den weitgehend zentralistischen Sozialstaat als für ihn. Deshalb bin ich inzwischen der Meinung, das System der Mindestsicherung sollte vollständig auf die Ebene der Kommunen verlagert werden, weil sie schlicht näher dran sind - sowohl an den bei ihnen beheimateten Transferempfängern in ihren sehr unterschiedlichen Ausprägungen und konkreten Lebensverhältnissen als auch an den örtlichen Beschäftigungs- und Förderangeboten. Sie können daher sehr viel individueller und flexibler vermitteln und passgenauere Lösungen anbieten. Nicht zuletzt sind sie auch weitaus geeigneter, Sachleistungen zu gewähren, deren Bedeutung gegenüber Geldleistungen tendenziell eher zunehmen sollte. Ein solcher Schritt, die Verantwortung für die Mindestsicherung in kommunaler Hand zusammenzuführen, würde die derzeitige, schon einmal verfassungsrechtlich beanstandete Doppelzuständigkeit endgültig aufheben und damit das System entbürokratisieren und seine Effizienz steigern. Selbstredend müssten einer solchen Aufgabenzuordnung die entsprechenden finanziellen Mittel folgen. Da sollte der Bund über seinen Schatten springen und den Vorteil der Dezentralisierung höher veranschlagen als den Nachteil, dass er über die Verwendung seiner Gelder nicht mehr im Einzelnen Obacht walten lassen kann. Worüber er recht fröhlich sein könnte, wenn es besser klappte.
B. Zuwanderung
Ein wenig beleuchteter Aspekt der demographischen Entwicklung betrifft die Innovationskraft und Produktivität, und zwar nicht nur in plattem ökonomischem Sinne. Kurt Biedenkopf schätzt, dass 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung über die Fähigkeit und den Willen verfügen, im aktiven Berufsleben unternehmerische Initiative zu entfalten. Erweitern wir diese Annahme willkürlich auf 40 Prozent unter Einbeziehung des wissenschaftlichen, kulturellen und ehrenamtlichen Lebens. Dann bleibt seine Mahnung trotzdem richtig, dass dieser dynamische und engagierte Teil zahlenmäßig bei einer insgesamt alternden Bevölkerung immer kleiner wird und daraus wachsende Herausforderungen resultieren. Es wird schwieriger, das Innovationsniveau zu bewahren, das unseren Lebensstandard sichert, eine starke Zivilgesellschaft lebendig zu halten und geistig-kulturell auf der Höhe der Zeit zu bleiben, statt zu verschnarchen. Deutschland wird schnell älter, aber auch klüger?
Nun geistert in manchen Köpfen die Illusion, dass die Demographiefalle mit all ihren Implikationen überlistet werden könnte, indem wir Tür und Tor öffnen und eine vermehrte Zuwanderung organisieren. Das Statistische Bundesamt schätzt den Rückgang der Einwohnerzahl Deutschlands von heute 82 Millionen auf 70 Millionen im Jahr 2060, das Max-Planck-Institut für demographische Entwicklung auf 74,5 Millionen. Aber diese werden nur erreicht, weil jährlich 200 000 Zuwanderer nach Deutschland kommen. Der Zuwanderungssaldo seit 1980 beträgt 7 Millionen Menschen. Davon gelten höchstens 10 Prozent als qualifiziert. Der weit überwiegende Teil landete direkt im sozialen System, heute im Wesentlichen über die Zusammenführung von Familien, nachdem der freie Zugang von Geringqualifizierten gestoppt worden ist. Bei einem Migrantenanteil von 16 Millionen oder 20 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland haben unter den Bürgern mit ausländischen Wurzeln siebenmal mehr keinen Schulabschluss als unter der einheimischen Bevölkerung. 40 Prozent der Migranten unter 25 Jahren haben keinen Berufsabschluss. Für eine Debatte über die politischen, sozialen und finanziellen Integrationskosten, die aus dieser massiven Zuwanderung von Menschen mit überwiegend geringen oder gar keinen Bildungsabschlüssen erwachsen, findet man kaum eine »entmilitarisierte« Zone. Aber so viel lässt sich hoffentlich resümieren, ohne Erregungszustände auszulösen: Einwanderungsländer wie Kanada und
Weitere Kostenlose Bücher