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Unterm Strich

Unterm Strich

Titel: Unterm Strich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peer Steinbrück
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Indizien, die auf eine solche Praxis unter der alten CDU/FDP-Landesregierung hindeuten.
    Selbstverständlich geht es nicht nur um den Ausbau der Betreuung der unter Dreijährigen, sondern nicht weniger auch um den Ausbau der Kindertagesstätten für die Drei- bis Sechsjährigen und ganztagsbetreuter Grundschulen. Kostenlose Kindergartenplätze plus gut ausgebildete und angemessen bezahlte Kindergärtnerinnen, gegebenenfalls plus Sozialpädagogen, Deutschkursus und angeschlossener »Elternschule« - das wäre ein Paradestück vorsorgender Sozialpolitik. Mit den jüngsten Erhöhungen des Kinderfreibetrags und des Kindergelds zum 1. Januar 2009 und 2010 hätte man bundesweit wahrscheinlich zwei der drei Kindergartenjahrgänge kostenlos stellen können.

    B. Eine Bildungspolitik, die unter anderem das fortsetzt und unterstützt, was mit der Familienpolitik und dem Ausbau der vorschulischen Kinderbetreuung angelegt ist. Hier ist nicht der Platz, alle Facetten der Schulpolitik in Deutschland zu entfalten. Richtig scheint mir dreierlei zu sein. Die pädagogische Expertise bei uns und die Erfahrungen im Ausland mit einer höheren Integration des Schulsystems statt frühzeitiger Zuordnung auf Schultypen finden in Deutschland kaum einen Weg in die Praxis, weil Debatten über Schulformen, die den Charakter eines Kulturkampfes annehmen können, zu Verstopfungen führen. Der Streit über Schulformen wiederum überlagert die - vielleicht noch wichtigere - Diskussion über Lerninhalte, die Qualität der Schulen und die individuelle Förderung der einzelnen Schülerinnen und Schüler, um ihre »Herkunftszementierung endlich zu durchbrechen« (Wolfgang Schroeder). Hier liegt die entscheidende Antwort auf die Zeitbombe, dass 13 Prozent der Migrantenkinder keinen Schulabschluss und 40 Prozent der Ausländer zwischen 20 und 29 Jahren keinen Berufsabschluss haben. Schließlich halte ich inzwischen unseren Föderalismus für das größte Hindernis einer umfassenden Bildungsreform in Deutschland. Alle Elternpaare, die auch nur ein Mal von einem Bundesland in ein anderes gezogen sind, wissen, wovon ich rede - ebenso nicht wenige Studentinnen und Studenten, die ihre Universität gewechselt haben. Sie alle interessieren föderale Zuständigkeiten so viel wie die Frage, ob im Hamburger Hafen ein Sack Reis umgefallen ist. Sie wollen schlicht ein gutes Bildungs- und Hochschulsystem, das die Voraussetzungen für eigenverantwortlich geführte und materiell einigermaßen abgesicherte Lebensläufe schafft und nicht zuletzt der Qualität in anderen europäischen Ländern entspricht. Davon kann leider keine Rede sein.
    C. Eine Einwanderungs- und Migrationspolitik, die sich am kanadischen und australischen Modell orientiert, also zumindest dem direkten Zulauf in das Sozialsystem einen Riegel vorschiebt. Ob es sich angesichts unserer demographischen Entwicklung dann auf den Zuzug qualifizierter Kräfte konzentriert, ist gegen den Einwand abzuwägen, dass dies auf einen entsprechenden »braindrain« zum Schaden von Entwicklungs- und Schwellenländern hinausläuft.

    D. Eine Gesundheitspolitik, die stärker als bisher auf Prävention setzt. Das fängt mit verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern an. Die Risiken einer ungesunden persönlichen Lebensführung, die chronische Krankheiten verursacht, sollten sich deutlicher in einem Belohnungs- beziehungsweise Sanktionsmechanismus der Krankenversicherung ausdrücken.

    E. Eine Steuerpolitik, die von der Grunderkenntnis ausgeht, dass die Umlagefinanzierung erstens auf Dauer nicht ausreicht und zweitens die Einzahler unerträglich belastet. Die paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragene Umlagefinanzierung des Sozialversicherungssystems wird im vorsorgenden Sozialstaat zwar eine wichtige Säule bleiben müssen - aus finanziellen Gründen, aber auch wegen des wohlfahrtsstaatlichen Prinzips einer Mitverantwortung der Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer -, doch auf mittlere Sicht muss sie über einen wachsenden steuerfinanzierten Anteil entlastet werden. Das derzeitige Verhältnis zwischen dem abgaben- und dem steuerfinanzierten Anteil des Sozialversicherungssystems in Deutschland dürfte bei rund 65 zu 35 liegen. In den skandinavischen Ländern ist dies umgekehrt - mit der Folge, dass sich die Lasten auf weit mehr Schultern, nämlich die aller Steuerzahler und nicht nur der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, verteilen und die Lohnzusatzkosten der Arbeitgeber sinken, was ihrer

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