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Unterm Strich

Unterm Strich

Titel: Unterm Strich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peer Steinbrück
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Wettbewerbsfähigkeit nicht gerade schadet - und dem Arbeitsmarkt auch nicht.
    Die offene, hochbrisante Frage lautet natürlich, welche Steuerart denn in welcher Höhe zur Absenkung der Sozialversicherungsabgaben beitragen soll, von der Geringverdiener um Längen mehr profitieren würden als von Steuersenkungen. Einige haben die indirekten Steuern im Sinn, also die Mehrwertsteuer, andere die direkten Steuern, also die Einkommensteuer. Egal, was sich nach genauerer Prüfung als vorteilhafter herausstellt: Die ernsthafte Debatte über ein neues Verhältnis zwischen Abgabenfinanzierung und Steuerfinanzierung des sozialen Sicherungssystems werden einige unter dem Schlachtruf »Steuererhöhung« dazu nutzen, die ganze Republik in eine riesige Wirtshausschlägerei zu verwickeln, in deren Lärm der kompensatorische Effekt einer Senkung der Sozialversicherungsabgaben unterzugehen droht. Dagegen muss man sich wappnen und eine systematische Kommunikation vorbereiten.
    In jedem Fall wird deutlich, wie absurd Steuersenkungsversprechen schon im Zusammenhang mit einer robusteren Finanzierung des Sozialsystems und angesichts lebensgefährlicher Defizite in der Bildungsfinanzierung wirken. Die politischen Tenöre, die diese Arie singen, sind - von sich selbst hingerissen und von Teilen des Publikums euphorisiert - in so hohe Bäume geklettert, dass sie keine Leitern mehr rinden, um wieder auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Und daraus machen sie ein Problem der Republik, wo es doch allein und originär ihr eigenes ist.
    Zur Finanzierung eines vorsorgenden Sozialstaates halte ich eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes in einem durchgehend linear-progressiven Tarif unter Glättung der Progression im mittleren Einkommensbereich für unausweichlich. So weit wie in den neunziger Jahren mit einem Spitzensteuersatz von 53 Prozent muss man nicht gehen. Angemessen wäre ferner eine Erhöhung der Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkünfte von 25 auf mindestens 30 Prozent. Und schließlich wird das Karussell des Subventionsabbaus - insbesondere der steuerlichen Subventionen - erneut in Gang gesetzt werden müssen. Von mir aus in Reminiszenz der alten Koch-Steinbrück-Methode aus dem Jahr 2003, die etwa 8 Milliarden Euro erbrachte.
    Ein weiteres Finanzierungselement im Rahmen des umlagefinanzierten Teils wäre eine progressive Gestaltung auch der Sozialversicherungsabgaben unter Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze. Dies habe ich das erste Mal im Mai/Juni 2008 während der Vorabklärungen zur Aufstellung des Bundeshaushalts für das Jahr 2009 bei der Bundeskanzlerin vorgeschlagen und bin damit auf der Unionsseite zwar nicht auf blankes Entsetzen, aber doch auf unbeugsame Ablehnung gestoßen.
    Keine realistische Wachstumsperspektive wird an dem Druck etwas ändern, eine solche oder eine gleichgerichtete Operation einzuleiten. »Man kann alle Leute eine Zeitlang an der Nase herumführen und einige Leute die ganze Zeit, aber nicht alle Leute die ganze Zeit.« (Abraham Lincoln).

    Generell wird der vorsorgende Sozialstaat von der Steigerung individueller Transferzahlungen umsteuern müssen auf Infrastruktur- oder Sachleistungen. Dabei spielen Qualifikation und Motivation des Personals in entsprechenden Infrastruktureinrichtungen eine Schlüsselrolle. »Eine erfolgreiche Vorsorgepolitik [nimmt] in den Blick, wie die Erzieher, Sozialarbeiter, Lehrer, Fallmanager oder Pfleger ausgebildet und unterstützt, gratifiziert und anerkannt sind.« Von »Gedöns« oder »faulen Säcken« kann jedenfalls keine Rede mehr sein, wenn diese Berufe über eine Kultur der Anerkennung attraktiver gemacht werden und etwa das Sozialprestige erhalten, das sie in skandinavischen Ländern längst gewonnen haben.
    Nicht zuletzt werden die Bürger - so unpopulär das auch ist - darauf vorbereitet werden müssen, dass sie selbst für Alter, Pflege und Gesundheit mehr Vorsorge betreiben müssen. Ob der Staat dies unterstützen kann wie bei der Förderung der Riester-Rente - eine Erfolgsgeschichte mit über 13,5 Millionen Verträgen (im Juni 2010), wofür Walter Riester und seinem Staatssekretär Klaus Achenbach wenigstens ein Denkmal errichtet werden sollte -, ist zunächst zweitklassig. Wichtig ist die Einstimmung der Bürger darauf, dass sie einen Teil ihres Gegenwartskonsums zugunsten von Zukunftsvorsorge reduzieren sollten, wo immer sie dafür Spielräume haben. Das kann die Ergänzung der gesetzlichen Altersversorgung durch ein kapitalgedecktes Verfahren wie die

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