Unterm Strich
herumgesprochen haben, dass die Chinesen technologisch in der Lage sind, ein solches satellitengestütztes Navigationssystem im Weltraum zu stationieren. Das gibt Anlass zu einem Weckruf. Der bisher für selbstverständlich gehaltene Wissenschafts- und Technologievorsprung von Deutschland und Europa ist keine Versicherungspolice mehr gegen den Wettbewerb mit China wie auch mit anderen Schwellenländern. Von diesem hohen Ross gilt es eiligst abzusteigen. Die Vorstellung, dass China nur auf dem Sektor der Billigprodukte mit geringem Technologiegehalt antritt, ist, wie schon erwähnt, ein gefährlicher Irrtum. Im Telegrammstil bleibt nur darauf hinzuweisen, dass China - wie auch andere Länder Asiens - auf mehreren Gebieten ein rasantes Innovationstempo entwickelt hat und auf Hightechfelder mit wirtschaftlichen Produktions- und Absatzpotenzialen vorstößt. Dies gibt der These Auftrieb, dass die globale Wirtschaftsentwicklung und Geopolitik einem anderen Spin folgt, als wir Europäer uns das bisher eingebildet haben.
China wird der größte Automarkt der Welt. Spätestens in zwei Jahren wird es in China mehr Neuzulassungen geben als in ganz Europa (2009 rund 15 Millionen Kraftfahrzeuge). Dem Schreckgespenst der damit verbundenen Umweltbelastungen begegnet man mit einer Strategie, die darauf ausgerichtet ist, eine Spitzenstellung bei der Entwicklung von Elektroantrieben zu gewinnen. Im konventionellen Automobilbau wird Technologie kopiert oder aufgekauft. Der chinesische Autohersteller Geely, der noch vor zehn Jahren vor allem Eisschränke produzierte, hat für etwa 2 Milliarden Euro die schwedische Topmarke Volvo von Ford übernommen. Saab ist an den fünftgrößten chinesischen Autokonzern BAIC verkauft worden. Die General-Motors-Marke Hummer, die ölpreis-ignorante Zivilisten mit Geltungssucht auch im Stadtverkehr schätzen, ging an einen chinesischen Maschinenbauer in Szechuan. Solche Einkaufstouren sind noch nicht beendet. Die Absatzstrategien sind längst nicht mehr nur auf den heimischen Markt konzentriert. Die Begehrlichkeiten richten sich nicht weniger auf Europa und amerikanische Märkte - möglichst mit einem Entwicklungsvorsprung beim Elektroantrieb. Der chinesische Automobilhersteller BYD (Build Your Dreams) verfolgt dabei offenbar so interessante Pläne, dass ein Fonds des amerikanischen Investors Warren Buffett eingestiegen ist und Daimler in Stuttgart nicht abseitsstehen will, sondern lieber ebenfalls mitmischt.
Der erste Flug eines Passagierjets chinesischer Produktion wird für 2014 erwartet. Der chinesische Flugzeugbauer Comac will damit ab 2016 in Konkurrenz zu Airbus und Boeing treten. Seit Ende 2009 legt der schnellste Zug der Welt die mehr als tausend Kilometer lange Strecke zwischen Wuhan und Guangzhou mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 330 km/h (Spitzengeschwindigkeit 395 km/h) in drei Stunden zurück. Die chinesische Regierung plant, bis zum Jahr 2012 insgesamt 42 Hochgeschwindigkeitsstrecken zu bauen.
Solarkollektoren aus chinesischer Produktion mögen nicht so leistungsfähig sein wie unsere. Doch sie seien so einfach und robust, wie es der Markt verlange, schreibt der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Hans-Jörg Bullinger, in einem Artikel über das Tempo chinesischer Ingenieurfähigkeiten und in Sorge über Bildungsdefizite und Schwächen des deutschen Innovationssystems. Er fügt hinzu, dass die deutschen Unternehmen ihrerseits nicht mehr darum herumkommen, eine stärkere Kooperation unter anderem mit chinesischen Hightechunternehmen einzugehen. Da ist die Nachricht, dass inzwischen 50 Prozent aller in Deutschland verkauften Skier aus China importiert werden, eher eine abschließende Glosse.
Bleibt die Geschichte zu erzählen, dass der Abgesang auf eine deutsche Magnetschwebebahn ausgerechnet in China am Vorabend der Einweihung des Transrapids auf der Strecke Pudong - Shanghai Flughafen - es handelt sich um einen Technologie-Import aus Deutschland - am 31. Dezember 2002 in einer Spitzenrunde eingeläutet wurde, an der die Bundesminister für Wirtschaft und Verkehr, Wolfgang Clement und Wolfgang Stolpe, die Vorstandsvorsitzenden von Siemens und ThyssenKrupp, Heinrich von Pierer und Ekkehard Schulz, ich selbst als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und zeitweise auch Bundeskanzler Gerhard Schröder teilnahmen. Dieses Treffen blieb folgenlos, weil die anschließenden, für Januar 2003 unter Leitung des Bundesverkehrsministers verabredeten Sondierungen keine Einigung
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