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Unterm Strich

Unterm Strich

Titel: Unterm Strich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peer Steinbrück
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Asien stark vertretenen Großbank HSBC, Stephen King, trat auf dem Wirtschaftsforum in Davos Ende Januar 2010 mit der Einschätzung hervor, dass das Jahr 2009 einen Wendepunkt markiere: »Einerseits zeige sich das Ausmaß der Wirtschaftskrise in den Industrieländern in seiner vollen Schärfe. Andererseits offenbarten viele Schwellenländer eine bemerkenswerte Widerstandskraft gegenüber der tiefen Rezession. Diese Abkopplung stelle nur den Auftakt einer umfassenderen Entwicklung dar ... Immer deutlicher schäle sich ein neuer wirtschaftlicher Block mit eigenständigen Handelsströmen heraus, der sich um die Volksrepublik China gruppiere und von den Vereinigten Staaten und Europa löse.« Dazu passt eine Meldung zu Beginn des Jahres 2010, die in den Randspalten der Presse fast untergegangen und bei kaum jemandem haften geblieben ist: Zum 1. Januar 2010 ist zwischen China und den zehn ASEAN-Staaten ein Freihandelsabkommen in Kraft getreten, das einen Wirtschaftsblock mit 1,9 Milliarden Menschen und einem internen Handelsvolumen von 470 Milliarden US-Dollar schafft. Viele Zollschranken fallen sofort, weitere nach einem Stufenplan. Nach der EU und der NAFTA (USA, Kanada und Mexiko) entsteht damit eine dritte bedeutende Freihandelszone (CAFTA). Mit ihr wird zwar keine politische Integration wie im Falle der EU verfolgt, aber sie wird diesem ohnehin schon dynamischen Raum in Asien weitere Impulse geben.
    China setzt sich in Afrika und Lateinamerika fest. Es löst die USA als wichtigsten Handelspartner von Brasilien ab und spielt eine kaum geringere Rolle in anderen südamerikanischen Ländern wie Argentinien und Chile. Rohstoffinteressen sind hier wie in Afrika Wegweiser.
    Insgesamt ergibt sich das Bild einer systematisch verfolgten Strategie, die nicht nur Zugang zu Energie- und Rohstoffquellen schaffen, sondern auch und gerade politische Einflusszonen abstecken und einen Handels- und Geldkreislauf aufbauen soll, der parallel zum westlich-kapitalistischen Arteriensystem und damit unabhängig von ihm funktioniert. China beteiligt sich an fast allen regionalen Entwicklungsbanken. Es platziert Anleihen, die Staaten wie Brasilien, Indien und Russland zeichnen, obwohl es eigentlich keinerlei Kapital von anderen Staaten braucht. China kauft umgekehrt auch Anleihen von diesen und anderen Staaten. Der Gedanke liegt nicht fern, dass damit neben dem US-Dollar ein zweiter Geldkreislauf geschaffen werden soll und ein internationaler Auftritt des Renminbi als Leitwährung neben dem Dollar und dem Euro vorbereitet wird.
    Nicht wirklich überraschend, aber in ihrer Rigidität doch bemerkenswert und im Hinblick auf den Abbau weltweiter Ungleichgewichte deprimierend war die von Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao zum Abschluss des Volkskongresses der Kommunistischen Partei im März 2010 geäußerte Absage an eine Aufwertung der chinesischen Währung. Er hielt den Renminbi nicht für unterbewertet. Chinas Politik einer stabilen Währung habe vielmehr wesentlich zur Erholung der Weltwirtschaft beigetragen. Unter Währungsfachleuten einschließlich des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank ist demgegenüber unstrittig, dass die chinesische Währung unterbewertet ist - laut OECD um 10 Prozent, nach Berechnung der Credit Suisse um 44 Prozent. Dies trägt maßgeblich zu den enormen Handelsbilanzüberschüssen Chinas bei und führt dort zu einem Inflationsdruck.
    Die spiegelbildlichen Defizite in der US-Handelsbilanz rufen wiederum US-Politiker auf den Plan, die China vorwerfen, dass es sich über Wechselkursmanipulationen Wettbewerbsvorteile verschaffe. Dadurch seien Arbeitsplätze weggebrochen und fortwährend bedroht. Nun reißt ihnen nach Jahren unergiebigen Drängens der Geduldsfaden. Sie fordern einen gesetzlich verankerten Sanktionsmechanismus, der die US-Regierung dazu zwingen soll, Strafzölle gegen China zu erheben, für den Fall, dass es seine Währung nicht aufwertet. Damit würde sich eine neue Eskalationsstufe abzeichnen. Da aber China - im Wechsel mit Japan - der wichtigste Kapitalexporteur in die USA und darüber ihr größter Gläubiger geworden ist, dürften martialische Politikübungen von US-Senatoren bei Präsident Obama und seiner Regierung sehr gemischte Gefühle wecken. Sie werden die Trommeln nicht gar zu laut schlagen wollen. China dreht den Spieß einfach um. Die Amerikaner seien für das Ungleichgewicht selbst verantwortlich. Es sei Ausdruck ihrer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit, für die China

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