Unterm Strich
einnehmen wird. Darin liegt die Botschaft für Europa und Deutschland. Wir werden das zu spüren bekommen. Den Schnappschuss von China im Cockpit neben den USA lieferte der Leiter des Brüsseler Bruegel-Instituts, Jean Pisani-Ferry, mit dem wichtigen Zusatz »nachdem die Europäer sich nicht einigen konnten, wie sie diese Position besetzen wollen«.
Dementsprechend wird das politische Selbstbewusstsein Chinas weiter wachsen. Es wird - ebenso wie etwa Indien, Brasilien oder Indonesien - mehr Mitspracherechte und höhere Stimmanteile in internationalen Organisationen fordern. Dieses Selbstbewusstsein ist bereits bei allen bilateralen Gesprächen und auf allen internationalen Konferenzen greifbar und wird auch demonstrativ vorgeführt.
Um die Dimension der ökonomischen Verschiebungen deutlich zu machen, sind einige Zahlen hilfreich, ehe von Trends die Rede sein soll. China dürfte Japan als zweitgrößte Wirtschaftsnation noch im Jahr 2010 ablösen. Bei einem Wirtschaftswachstum von 8,7 Prozent selbst im Krisenjahr 2009 und einer geschätzten Steigerung von etwa 9 Prozent im Jahr 2010 wird China das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Japan mit rund 4,9 Billionen US-Dollar früher übertreffen, als bisher für möglich gehalten wurde. Der Chefvolkswirt von Goldman Sachs schätzt, dass China die USA innerhalb der nächsten 20 Jahre überrundet. Was den Titel des Exportweltmeisters betrifft, so hat China diesen Deutschland im Jahr 2009 abgejagt. Es exportierte mit rund 1,2 Billionen US-Dollar etwa 80 Milliarden US-Dollar mehr als Deutschland. Die Medaillenvergabe für den Weltmeistertitel mag zweifelhaft sein, weil in dieser Statistik die Exporte von Dienstleistungen nicht mitgezählt werden und zudem die unterbewertete chinesische Währung einen verzerrenden Einfluss ausübt. Dennoch - bezogen auf den Warenverkehr, enthält diese Exportstatistik nicht zuletzt deshalb ein Signal, weil das gängige Urteil revidiert werden muss, China exportiere vor allem Billigprodukte. Es findet zunehmend ein Absatz von technologieintensiven Produkten wie Elektrogeräten, Computern und Solaranlagen statt.
Seinen Export in die USA hat China zwischen 1993 und 2008 um sage und schreibe 1600 Prozent gesteigert.
Unter den zehn - gemessen nach ihrem Börsenwert - größten Banken der Welt finden sich inzwischen vier chinesische Banken. Bei einer Sparquote von über 40 Prozent (11,2 Prozent in Deutschland) kann sich das chinesische Bankensystem nicht über einen Mangel an Einlagen beklagen.
Natürlich sind die weiteren Aussichten Chinas von einer Reihe offener Fragen abhängig. Kann die bedrohliche Blasenbildung auf den Immobilien- und Anleihemärkten eingedämmt werden? Gelingt die Bekämpfung von Inflation, indem den Märkten Liquidität entzogen wird? Lassen sich die unproduktiven Staatsunternehmen sanieren? Erhält die Bevölkerung ein soziales Netz aus Alters- und Krankenversorgung, was ihr Vorsorgeaufwendungen ersparen und damit ihre Konsummöglichkeiten erhöhen würde? Wird der Dienstleistungssektor liberalisiert, die Korruption erfolgreich bekämpft und unter anderem eine Landreform durchgeführt? Aber selbst unter Berücksichtigung dieser Imponderabilien drängt sich als wahrscheinlichste Zukunftsvariante auf: Der Anteil Chinas an der globalen Wirtschaftsleistung wird deutlich zunehmen. Schätzungen folgen dem Erkenntnisprinzip des Bergbaus: Vor der Hacke ist es duster. Aber eine Steigerung seines Anteils von 8 Prozent (2008) auf 13 Prozent bis 2020 erscheint nicht unwahrscheinlich. Die übrigen asiatischen Staaten - ohne Japan und den Nahen Osten - dürften mitziehen und im Ergebnis mit dazu beitragen, dass der Anteil der G7-Staaten an der globalen Wirtschaftsleistung wie auch am Welthandel deutlich zurückgehen wird.
Für eine Exportnation wie Deutschland wäre das nur dann keine erschreckende Aussicht, wenn wir an der steigenden Nachfrage asiatischer (wie auch lateinamerikanischer) Schwellenländer nach hochwertigen Gütern und Dienstleistungen weiter teilhätten. Je schneller sie allerdings technologisch aufholen und als Konkurrenten auf diesen Märkten hinzutreten, desto größer werden die deutschen Anstrengungen sein müssen, wettbewerbsfähig zu bleiben. Das heißt, wir müssen immer etwas besser - nicht billiger - sein als die anderen. Ob die dafür notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden können, ist die Schlüsselfrage für die zukünftige Positionierung Deutschlands im globalen Wettbewerb.
Der Chefvolkswirt der in
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