Unterm Strich
Wege attraktiver gemacht werden.
Die Förderung von Dienstleistungen für Menschen durch Menschen öffnet gerade in einer älter werdenden Gesellschaft ein nennenswertes Nachfragepotenzial. Eine Erhöhung der deutschen Erwerbsbevölkerung im demographischen Wandel sollte sich insbesondere auf die Einbeziehung älterer Arbeitnehmer und von Frauen richten, die darüber Einkommensverbesserungen erführen. Und jeder Euro, der in Bildung gesteckt wird, zahlt sich - wenn auch erst nach einigen Jahren - wieder aus, weil mit den erworbenen Qualifikationen meist höhere Einkommen zu erzielen sind.
All das löst nicht ad hoc die internen Ungleichgewichte innerhalb Europas. Aber es ist der Versuch einer Skizze, wie das »Klumpenrisiko« der deutschen Exportlastigkeit verringert und beiläufig auch unsere Importstellung in Europa verbessert werden könnte. Es mag einige, auch gewichtige, Vorbehalte gegen diese Skizze geben. Aber dann sollen sich die Kritiker anstrengen, Alternativen vorzuschlagen, die das deutsche Wachstumsmodell auf eine solidere und ausgeglichenere Basis stellen.
Der Arbeitsmarkt in Deutschland wird wahrscheinlich bereits in wenigen Jahren durch die absurde Gleichzeitigkeit einer hohen Arbeitslosigkeit von Geringqualifizierten und eines Mangels an ausgebildeten Arbeitskräften gekennzeichnet sein. Das Defizit an Facharbeitern, Ingenieuren, Naturwissenschaftlern wie auch an Personal in Lehrberufen, vom Kindergarten bis zum akademischen Unterbau der Universitäten, ist nicht ein Problem der fernen Zukunft, sondern liegt direkt vor uns. Über den Wachstums- und Produktivitätsverlust aufgrund solcher unbesetzten Stellen in der Größenordnung von 2 Millionen aufwärts - bei einer unveränderten Grundlast für die Steuerzahler, die sich aus der Arbeitslosigkeit und der sozialen Grundsicherung ergibt - kann man sich die Haare raufen. So steht die Arbeitsmarktpolitik nicht nur unter dem Druck, für die Arbeitslosen eine Lösung zu finden, die nicht qualifiziert werden können oder wollen, sondern sie wird zudem vor dem Hintergrund dieses absehbaren Arbeitskräftemangels das Potenzial an qualifizierungsfähigen und -willigen Arbeitslosen sowie Frauen und älteren Menschen, die unterbeschäftigt sind oder in Altersteilzeit arbeiten, voll ausschöpfen müssen. Eine Einwanderungspolitik, die mehr denn je auf Qualifikationen achtet, ist eine zwingende Ergänzung. In einer solchen auswählenden Grundorientierung wird sie für politischen Zündstoff sorgen.
Das deutsche Bildungssystem erhält keine guten Noten. Zu viele Jugendliche - nicht nur mit Migrationshintergrund - verlassen Schule und Lehre ohne Abschluss. Wir haben zu wenige Abiturienten und Hochschulabsolventen. Die unbefriedigende Schulpolitik der Länder ist eines der Hauptmotive von Wählern, Regierungen einen Denkzettel zu verpassen. Zu Recht. Die schulpolitischen Debatten erinnern in Deutschland an Kulturkämpfe. Der deutsche Föderalismus führt zu einem Flickenteppich von Schulsystemen, Schultypen, Lerninhalten und Prüfungsbedingungen. Er zeigt sich absolut resistent gegen jede Kritik, weil er auf dem unveräußerlichen Gut der Kultushoheit der Bundesländer besteht. Dass darüber das deutsche Bildungssystem ins Hintertreffen gegenüber anderen Staaten und vor allem den Anforderungen gerät, Deutschland zukunftsfähig zu machen, ist offenbar zweitrangig.
Dabei reden wir über die Schlüsselkategorie, um das Land in eine gute Zukunft zu führen: Armutsbekämpfung und Einkommenssicherung durch Bildungsabschlüsse und Qualifizierung als zwei Seiten einer Medaille, Entlastung des Sozialstaates von Reparaturaufwand, technologisches, wirtschaftliches und soziales Innovationsvermögen, ökonomische Wettbewerbsfähigkeit, Kulturvermittlung und -leistungen, Gleichstellung von Mann und Frau.
Dem entspricht das Bildungssystem in Deutschland weder in seiner Durchlässigkeit oder Chancengerechtigkeit vor allem für Kinder aus Elternhäusern mit einem geringeren sozialen Status noch in seiner personellen und materiellen Ausstattung, noch in seiner Leistungsfähigkeit, gemessen an der Qualität der Schulabschlüsse, noch in der Organisation von Schule mit einem höheren Selbständigkeitsgrad - noch in der politischen Wertschätzung. Denn dafür müsste die Politik bereit sein, sehr viel mehr Geld auszugeben, statt Hoteliers mit reduzierten Mehrwertsteuersätzen zu beglücken und Wählern liebliche Gesänge von weiteren großkalibrigen Steuersenkungen in die Ohren
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