Unterm Strich
Karten. Im Fall der WestLB war er denn auch schon bereit, im Zuge einer Verlagerung von problematischen Aktiva auf eine bad bank die Kernbank mit 4 Milliarden Euro zu rekapitalisieren. Das ist prinzipiell nicht zu kritisieren. Der konkrete Fehler war, dass der Bund von der nordrhein-westfälischen Landesregierung beziehungsweise den Eigentümern der WestLB keine Gegenleistung einforderte. Die hätte - durchaus in einem Kurzpassspiel mit der Wettbewerbskommission der EU - darin liegen müssen, zeitlich befristete Auflagen festzuhalten, die sich auf Anstrengungen zur Neuordnung des Landesbankensektors erstrecken.
In dieser Hinsicht waren Kanzleramtsminister Thomas de Maiziere und ich gegen Ende der letzten Legislaturperiode in Sitzungen mit den Ministerpräsidenten der Länder, die Miteigentümer von Landesbanken sind, schon einmal viel weiter. Der Zufall und sozialdemokratische Wahlniederlagen wollten es, dass ausschließlich Ministerpräsidenten der CDU/CSU am Tisch saßen. Die hatten sich wegen der desolaten Lage ihrer Landesbanken auch schon diskret vorher getroffen, wollten aber den sozialdemokratischen Bundesfinanzminister partout nicht dabeihaben, weil ihnen der Taktstock in den Händen eines Sozis doch als historischer Irrtum erschien. Mein persönlicher Nachrichtendienst hielt mich zwar über diese Treffen auf dem Laufenden, aber es dauerte bis Ende April 2009, bis dank der Vermittlung von Thomas de Maiziere eine gemeinsame Gesprächsrunde zur Problematik der Landesbanken zustande kam. Die verlief durchaus konstruktiv. Insbesondere die schwerstbetroffenen Länderchefs aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Nordrhein-Westfalen waren höchst aufgeschlossen, eine gemeinsame Auffanglösung zu finden.
Nach weiteren Abstimmungen, insbesondere mit der EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes und dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV), kam schließlich eine schriftliche Erklärung mit dem Bekenntnis der Länder zu einer Neuordnung des Landesbankensektors mit dem Ziel effizienter Strukturen zustande. Bis zum 31. Dezember 2010 (!) sollten wesentliche Konsolidierungsschritte erfolgt sein. Dieser Erklärung hatten die neun geforderten Länder zugestimmt. Sie wurde auf einer Sitzung Ende Juni 2009 noch einmal bestätigt. Immerhin, drei Monate vor der Bundestagswahl ein Ergebnis, aus dem politische Vernunft sprach.
Doch dann sprang der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer aus der Kiepe, der Ende Juni 2009 nicht persönlich anwesend gewesen war und deshalb behauptete, er sei nicht beteiligt worden. Eingeladen war er zwar, nur nicht erschienen. Er hatte aber nach meiner Erinnerung zumindest zu dem Treffen Ende April 2009, in dem die Grundzüge festgelegt wurden, seinen Finanzminister Georg Fahrenschon entsandt, einen tüchtigen und kompetenten Mann. Nachdem ich später wie alle anderen Zeitgenossen die Umstände der Übernahme der österreichischen Hypo Group Alpe Adria durch die Bayerische Landesbank aus den Zeitungen erfahren hatte, die ihr nach ersten Berichten Verluste von knapp 3 Milliarden Euro bescheren dürfte, dachte ich: Ausgerechnet die bayerische Staatsregierung mit dem Seehofer, die ein Solospiel verfolgte!
Unter dem Strich bleibt, dass der deutsche Landesbankensektor erheblichen Risiken unterliegt. Nach wie vor ist nicht ausgeschlossen, dass nicht zuletzt wegen des Drucks der EU-Wettbewerbskommission und ihrer Auflagen aus den Verfahren zur Notifizierung von Beihilfen das Szenario einer Abwicklung deutscher Landesbanken ins Haus steht.
Es sind aber nicht allein die Landesbanken, die über den öffentlich-rechtlichen Bankensektor mit seinen Sparkassen hinaus zu einer bedrohlichen Schieflage führen könnten. Zutreffend scheint das Urteil zu sein, dass etliche deutsche Finanzinstitute eine unzureichende Eigenkapitalbasis aufweisen. Nach einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey brauchen deutsche Banken insgesamt 110 Milliarden Euro frisches Eigenkapital bis 2012. Auf mögliche Schwierigkeiten weist die Bundesbank hin. Ende 2009 schätzte sie, dass bei 17 international tätigen deutschen Banken ein erneuter Wertberichtigungsbedarf entstehen könnte. Während der Wertberichtigungsbedarf 2007 und 2008 in Höhe von über 30 Milliarden Euro überwiegend aus Verbriefungsgeschäften, also in der Folge der Subprime-Krise aus den USA, entstand und bereits abgegolten wurde, resultiert der jetzt möglicherweise anstehende Bedarf an Wertberichtigungen vor allem aus Zahlungsausfällen im Kreditgeschäft
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