Unterm Strich
geben nicht gerade ein Vorbild ab. Mir reichte schon die zeitliche und nervliche Inanspruchnahme durch eine Bank in Staatseigentum - die Hypo Real Estate. Wenn Frau Wagenknecht von der Linkspartei sich in der Lage sieht, im Verwaltungsrat mehrerer Staatsbanken Kontrolle auszuüben, verdient dies meine volle Bewunderung. Allein, mir fehlt der Glaube.
Ist die Zerschlagung von großen Banken eine Lösung? Stünde Deutschland besser da, wenn die Deutsche Bank gevierteilt würde?
Natürlich sind das keine Lösungen. Nachdem sie in mehreren Durchgängen durchleuchtet worden sind, ermüdet es, erneut leeres Stroh zu dreschen. Deutschland müsste eigentlich mit zwei weiteren Geschäftsbanken in der Liga der Deutschen Bank präsent sein. Es ist deshalb wünschenswert, dass die Commerzbank mit der übernommenen Dresdner Bank aufsteigt. Dagegen haben es die Landesbanken unwiederbringlich versäumt, sich in ihren besseren Zeiten, als sie mit ihrer addierten Bilanzsumme der Deutschen Bank noch das Wasser reichen konnten, zu konsolidieren und eine geschlossene Formation zu bilden. Der umfassendste Ansatz zur Minderung des Systemrisikos großer Banken liegt in verschärften Eigenkapital- und Haftungsregeln, die vorbeugend das Risikoverhalten disziplinieren. Ein nachlaufender Lösungsbeitrag ist ein neues spezifisches Insolvenzrecht für Banken, das nicht erst dann zur Geltung kommt, wenn die Insolvenz eingetreten ist, sondern die Bank bereits bei einer drohenden Insolvenz einem vorgeschalteten Verfahren unterwirft. Brigitte Zypries, meine damalige Kollegin im Bundesjustizministerium, und ich haben dazu vier Wochen vor der Bundestagswahl 2009 Vorschläge präsentiert.
Die derzeitige Aufstellung des deutschen Bankensektors und seine noch nicht gehobenen Risikopotenziale sind jedenfalls ein weiterer Grund, warum wir uns in den nächsten Jahren nicht auf einer so sicheren Seite wähnen, geschweige denn uns in Selbstgewissheit sonnen sollten. Es fehlen Vorstellungen und Verfahren, wie sich der deutsche Bankensektor konsolidieren und im internationalen Kontext strategisch aufstellen soll.
Das Wirtschaftsmodell Deutschland steht auf dem Prüfstand. Es fehlt an einem Konzept, wie die Republik angesichts ihrer Stärken, aber auch ihrer im rasanten Wandel unübersehbaren Schwächen das Niveau halten kann, das ihr in den vergangenen Jahrzehnten ein historisch einmaliges Maß an individueller Freiheit, ökonomischem Wohlstand und sozialem Ausgleich beschert hat. Wir gehen auf sehr wackligen Beinen in die Zukunft. Es ist Zeit für eine Agenda 2020.
Im Bundestagswahlkampf legte der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier Anfang August 2009 ein Papier unter dem Titel »Die Arbeit von morgen - Politik für das nächste Jahrzehnt« vor. Die Reaktion der politischen Kontrahenten war höhnisch bis abfällig. Die meisten von ihnen hatten nicht einmal eine Zusammenfassung gelesen und bestätigten damit wieder einmal den rituellen Charakter politischer Auseinandersetzungen. Viele Kommentatoren griffen sich mit spitzen Fingern eine einzige Zeile heraus und benoteten danach das ganze Dokument. Diese Zeile enthielt die Zielsetzung, im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts mindestens 4 Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das wurde als illusionäres Versprechen teils vorsätzlich missverstanden. Frank-Walter Steinmeier geriet in die Schublade jener Ankündigungspolitiker, die später durch die tatsächliche Entwicklung widerlegt werden. Aber an Visionen solle es gefälligst nicht fehlen!
Der Rest des Papiers wurde keiner ernsthaften Prüfung unterzogen. Beim Übergang vom politischen Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis scheint es verlorengegangen zu sein. Im medialen Verwertungsrhythmus ist es so alt wie der Wandsbecker Bothe.
Man mag darüber streiten, ob man in Wahlkampfzeiten mit einem 67-seitigen Papier reüssieren kann. Frappierend war allerdings, dass sich die Kritik gerade auf denjenigen stürzte, der für diesen Bundestagswahlkampf etwas Substanzielles vorgelegt und damit der Forderung nach einer inhaltlichen Auseinandersetzung entsprochen hatte. Dagegen wurden die Spitzenkandidaten der Union, Angela Merkel, und der FDP, Guido Westerwelle, mit keinem Kommentar ins Obligo gesetzt, doch bitte etwas vergleichbar Konkretes im Hinblick auf das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zu entwickeln und vorzustellen. Wo wollen Sie das Land hinführen? Welchen umfassenden Gegenentwurf bieten Sie an, der den Wählern einen Vergleich erlaubt? So
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