Unterm Strich
als Folge der Wirtschaftskrise. Dieser weitere Abschreibungsbedarf wird auf 60 bis 90 Milliarden Euro geschätzt, wobei die Verluste aus Buchkrediten deutlich über den Verlusten aus Verbriefungen rangieren. Die Ausfallwahrscheinlichkeit solcher Kredite, im Wesentlichen Firmen- und gewerbliche Immobilienkredite, ist deutlich gestiegen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) schätzt die Höhe problematischer Darlehen, die deutsche Banken Ende 2009 in ihren Büchern haben, noch weit höher ein. Viele deutsche Banken sind massiv im Geschäft mit ausländischen Gewerbeimmobilien engagiert. Fast 80 Milliarden Euro sind allein in den US-amerikanischen, britischen und spanischen Markt investiert.
Bleiben wir bei den Zahlen der Deutschen Bundesbank. Sollten tatsächlich 60 bis 90 Milliarden Euro abgeschrieben werden müssen, dann steht dem ein Eigenkapital der 17 größten deutschen Banken von 220 Milliarden Euro gegenüber. Das reicht aber meines Erachtens nicht, um einerseits Verluste auszugleichen und andererseits eine Zukunftsstrategie abzusichern. Mir ist deshalb nicht ganz klar, warum ein von mir geschätzter Experte solche Verluste im hoffentlich nicht eintretenden Fall für verkraftbar hält. Aber selbst wenn er recht hätte, würde dadurch das Problem einer unzureichenden Eigenkapitalausstattung der größten deutschen Banken einen noch weitaus höheren Exponenten erhalten.
Die Warnung von Bundesbankpräsident Axel Weber, dass diese Banken wegen ihres Kapitalbedarfs mit Dividenden und Bonuszahlungen äußerst zurückhaltend operieren sollten, ist deshalb nur allzu berechtigt. Dem Vorsichtsprinzip entspräche es, sich gegen solche nicht von der Hand zu weisenden Entwicklungen zu wappnen.
Nach Einschätzung des IWF haben alle europäischen Banken noch erhebliche Verluste zu verkraften. Die Vorstellung, dass die Politik in Deutschland noch einmal einen Rettungsschirm für Banken in Höhe von 500 Milliarden Euro aufspannen könnte, würde an der öffentlichen Meinung genauso wie an Haushaltsdefiziten scheitern. Dies ist einigen Bankvorständen und ihren Fußtruppen noch nicht wirklich als Tatsache ins Bewusstsein gedrungen. Sie denken offenbar, dass der Staat ihnen weiterhin unlimitiert Risiken vom Hals halten kann. Eine Erwartung, dass Verluste sozialisiert werden, nachdem Gewinne privatisiert worden sind, wird politisch nicht noch einmal »bedient« werden können.
Nicht ohne Bedeutung ist ferner, dass deutsche Banken teils erhebliche Auslandsforderungen gegenüber europäischen Ländern nicht nur im Süden des Kontinents haben, die mit erheblichen Problemen konfrontiert sind. 15 Prozent aller Auslandsforderungen deutscher Banken oder über 480 Milliarden Euro richten sich an Großbritannien. Auf über 650 Milliarden Euro belaufen sich die Auslandsforderungen gegenüber Irland, Spanien, Italien, Portugal und Griechenland. Darunter befinden sich einige deutsche Banken, die schon weitaus bessere Zeiten gesehen haben. Kein Wunder, dass der deutsche Bankensektor auf die Politik und die Mitwirkung Deutschlands zur Stabilisierung dieser Länder setzt.
Für eine Volkswirtschaft unserer Größenordnung, mit einer starken Realwirtschaft, ist ein stabiler, funktionsfähiger Finanzdienstleistungssektor, der das Arteriensystem der Realwirtschaft mit Kapital versorgt, von existenzieller Bedeutung. Jeder kollektive Groll und jeder Ruf nach wirksamen Folterinstrumenten, der diese wichtige Funktion des Bankensektors ignoriert, nimmt eine Selbstbeschädigung in Kauf. Das ändert nichts an der immensen Aufgabe, jenem Dr. Jekyll im Bankensektor seinen Mr. Hyde auszutreiben. Deutschland wird auf Exzellenz des Bankenmanagements ebenso wenig verzichten können wie auf starke und international aufgestellte Geschäftsbanken, die den Kunden innerhalb und außerhalb Deutschlands all die Dienste in hoher Qualität und zu wettbewerbsfähigen Konditionen anbieten können wie amerikanische, britische, japanische oder chinesische Banken.
Die schiere Größe von Banken und die Ansteckungsgefahr, die von ihnen im Falle einer Schieflage oder gar eines Absturzes ausgeht, wirken nicht nur bedrohlich - sie sind es. Aber was ist die Alternative? Die Verstaatlichung von Großbanken, wie die eilfertige Antwort linker Bannerträger lautet? Sind Banken über dieses Allheilmittel aus der Apotheke des 19. Jahrhunderts zu bändigen - oder verschärft dieses abgelaufene Rezept ihre Krise? Die öffentlich-rechtlichen Landesbanken
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