Unterm Strich
Computer bis zu Kleidung -, die in Asien billiger als in den USA hergestellt werden. In der Folge stieg das Leistungsbilanzdefizit der USA auf 6 Prozent seiner Wirtschaftsleistung. Dagegen summierten sich die Währungsreserven asiatischer Exportländer wie China und Japan auf teilweise schwindelerregende Höhen. Die Währungsreserven Chinas belaufen sich inzwischen auf rund 2,5 Billionen US-Dollar, die das Land zum großen Teil wieder in US-Finanztitel investiert hat.
Aus diesem giftigen Gebräu - dem Paradigma der Deregulierung, einer Jagd nach höchsten Renditen, der Politik des billigen Geldes und dem massiven Ungleichgewicht zwischen den USA mit ihrem hohen Leistungsbilanzdefizit und einer starken Abhängigkeit vom ausländischen Kapital einerseits und China mit hohen Exportüberschüssen und Währungsreserven andererseits - entwickelte sich eine Blase, deren Platzen das Weltfinanzsystem an den Rand des Abgrunds führte.
In den USA setzte sich dank der schier unbegrenzten Liquidität die ohnehin schon heiße Immobilienkonjunktur fort. Finanzinstitute wollten das billig vom Zentralbanksystem zu beziehende Geld gewinnbringend an die Frau und den Mann bringen. Sie schickten »Drückerkolonnen« auf den Weg, die schon mal an der Haustür brave Bürger davon überzeugten, sich bei so niedrigen Zinsen - notfalls mit ein- oder zweijähriger Aussetzung der Zins- und Tilgungsraten - ihren Herzenswunsch nach Wohneigentum zu erfüllen. Die Finanzinstitute boten sogenannte Subprime-Kredite an, um den Immobilienboom weiter zu befeuern. Dabei handelte es sich um Kredite, die einen Beleihungsgrad von mehr als 90 Prozent (teilweise 100 Prozent) aufwiesen, oder um Kredite mit einem Schuldendienst, der über 45 Prozent des jährlichen Bruttoeinkommens des Kreditnehmers lag. Mit solchen Subprime-Krediten konnte fast jedermann ein Haus erwerben. Das klingt riskant, und das war es auch. Beide Seiten, Banken wie Schuldner, setzten jedoch auf stetig steigende Immobilienpreise. Die Banken hielten ihre Kredite für abgesichert, und die Schuldner glaubten daran, im Notfall ihr Haus mit Gewinn verkaufen zu können. Dass Häuserpreise auch einmal fallen und die Zinsen steigen könnten, galt als Erfindung von Störenfrieden und Schwarzsehern. Aber genau so kam es.
Das allein hätte kaum ein weltweites Erdbeben auslösen können. Die Vergabe von Subprime-Krediten hätte diese Wirkung niemals entfalten können, wenn die Krise auf den amerikanischen Hypothekenmarkt begrenzt geblieben wäre. Hätte es sich um traditionelle Finanzierungsmodelle gehandelt - eine Bank gewährt einen Kredit und hält die entsprechende Forderung bis zu ihrer Ablösung in ihren Büchern -, wäre die Kreditexpansion im Immobilienbereich ziemlich bald an die Grenzen des Eigenkapitals US-amerikanischer Banken gestoßen. Zudem hätten die Banken einen größeren Anreiz gehabt, ihre Kreditnehmer sorgfältiger unter die Lupe zu nehmen. Aber genau das war nicht der Fall. Denn der neue Geschäftszweig »Subprime-Kredite« florierte vor allem dank neuer Finanzierungstechniken.
Banken fingen damit an, ihre Forderungen in einen Cocktail-Shaker zu werfen, zu mixen und als neues handelbares Finanzmarktprodukt auszuschenken. Sie »verbrieften« ihre Kreditportfolios. Besonders gern bündelten sie ihre Hypothekenkredite. Damit verkauften sie ihre Zahlungsansprüche aus den Hypothekenkrediten zusammen mit den Kreditrisiken an Investoren - andere Banken, Versicherungen, Hedgefonds, Vermögensverwalter - weiter, und zwar weltweit. Die Portfolios wurden in der Regel in Zweckgesellschaften eingebracht und dann als eine Art forderungsbesichertes Wertpapier an die Investoren weitergegeben. Damit aber nicht genug. Tranchen solch fortbesicherter Wertpapiere wurden erneut zerhackt, wieder zusammengepackt und als Verbriefung in zweiter Stufe verkauft. Aber auch diese konnten erneut zerlegt und in wunderbare Wundertüten überführt werden.
Das bot in der Theorie den Vorteil, die Risiken dieser strukturierten Produkte durch Neukombination scheinbar so verteilen zu können, dass sie kein ernsthaftes Problem für den Käufer darstellten. Es sah so aus, als ob durch geschicktes Mischen hohe Risiken in geringe Risiken verwandelt werden könnten. Und durch die Streuung der Risiken, durch den Verkauf der strukturierten Produkte über die halbe Welt, wurden die Risiken immer weiter minimiert - scheinbar.
Tatsächlich lagerten die Banken ihre Geschäfte mit diesen Produkten aus ihren Bilanzen aus
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