Unternehmen CORE

Titel: Unternehmen CORE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss

Vom Netzwerk:

Zweck?«
    »Kommen Sie näher.«
    »Toll«, sagte Lee, aber er schien unruhig und abgelenkt. »Danke, daß Sie es mir gezeigt haben.«
    »Sicher, jederzeit.« Cyrus spürte Lees Unruhe. Mit der Computertastatur unterband er eines der Oszilloskope. »War ein hartes Jahr, oder? Sie sind froh, wieder rauszukommen?«
    »Ja, nun … ich kehre jetzt lieber zu meinem Job zurück.«
    »Haben Sie niemals darüber nachgedacht, was mit den Jungs passierte, die gegangen sind?«
    »Die Shellabarger verlassen haben? Sicher, ich habe mit vielen von ihnen …«
    »Dieser Job. Bevor Sie angestellt wurden, haben Sie jemals jemanden getroffen, der vorher hier gearbeitet hat?«
    Lee bog den Rücken durch; seine rechte Hand, die Pistolenhand, zuckte nervös. »Sie sagten uns nur, daß sie den Vertrag um weitere sechs Monate verlängern. Ich werde so schnell nicht gehen.«
    »Ich dachte, ihr Jungs habt die Schlacht gewonnen. Entschuldigung, die Übung.«
    »Darüber kann ich nicht reden«, sagte Lee.
    Cyrus wandte sich der Stahlkammer zu. »Wir haben die Übung gewonnen. Wer hat den Krieg gewonnen?«
    »Geben Sie auf sich acht, Professor.«
    »Ich werde es versuchen. Sie sagten mir einmal, ich sei ein kluger Mann.« Cyrus lehnte sich zurück und lächelte, ein runzeliges, sonnenverbranntes Lächeln – er konnte charmant sein, wenn sein Leben davon abhing. »Ich denke, Sie sind ebenfalls ein kluger Mann.«
    Der Wachmann nickte; sein Blick war hart. Dann ging er.

PARIS, APRIL 1995

    Edward wollte nach Paris, Cyrus aber machte sein Leben dort unerträglich. Nach einigen Nächten stimmte Edward grummelnd ein, einen Ausflug nach Bordeaux zu unternehmen.
    Ihr Zug verließ den Gare d’Austerlitz am Morgen und raste im Nieselregen über weite Felder nach Süden. Mittags begaben sie sich in den Cafeteria- Waggon. Selbstbedienungsessen, das von einer Wand mit Stahlbehältern kam, Tische aus hartem Plastik, zumindest war das Arrangement sauberer als in allen Zügen, die Cyrus nach 1949 in den Staaten benutzt hatte. Sie fanden einen Tisch, Edward entschuldigte sich und nahm seine Aktenmappe mit zur Toilette.
    Cyrus erinnerte sich, daß sich Leute wegen der Geheimnisse, die er in seiner alten Ledermappe mit sich trug, über ihn lustig gemacht hatten. Auf seiner ersten Reise nach Los Alamos hatte er sich angewöhnt, die Mappe als Teil seines Armes zu sehen – es war das letzte Mal, daß er wirkliche Geheimnisse bei sich trug. Seine alte Ledermappe hatte er nicht mehr gesehen, seitdem sie ihn nach Saltville gebracht hatten.
    Edward kehrte zurück und setzte sich. Er wickelte die Plastikfolie von seinem verpackten Salade niçoise und grub eine Plastikgabel darin ein. Er begann zu kauen.
    »Ich habe mir einige Zeitungen besorgt«, sagte Cyrus und zeigte ihm die Herald Tribune. »Ich habe von CORE gelesen.«
    »Du weißt bereits alles, was es über CORE zu wissen gibt.« Edward zeigte seine Zähne und versuchte eine feine Sardellengräte zu finden, die zwischen Zahn und Zahnfleisch gerutscht war.
    »Sie haben bereits über zweitausendachthundert Kilometer geschafft«, sagte Cyrus. »In ein paar Wochen werden sie da sein. Im Kern.«
    »Eine beeindruckende Leistung«, sagte Edward. »Was wir geleistet – was du geleistet hast, Cyrus, mit dem Bruchteil ihrer Ressourcen –, ist viel beeindruckender, meiner Meinung nach.«
    Nach mehr als zwei Jahren theoretischer Forschungen und experimenteller Entwicklungen hatte Cyrus ein Fischgerät entworfen. Aus irgendeinem Grund wurde das Gerät als so wichtig angesehen, daß die Bohrung eingestellt wurde; Bohrkrone und Verkleider wurden aus dem Loch geholt – eine Reise, die nun einige Stunden dauerte – und der Prototyp des Fischgeräts eingesetzt. Cyrus hatte die in fünfzig Kilometer-Intervallen durchgeführten Tests der Aufzeichnungs- und Kontrollsysteme des Geräts, bis zu einer Tiefe von über dreihundert Kilometern, überwacht. Die Klauen des Bügels fuhren aus und packten zu, wenn es ihnen befohlen wurde, der Speer schoß heraus und reagierte auf jeden Befehl. Das komplexe Gerät funktionierte in jeder Hinsicht, wie die Computermodelle es vorhergesagt hatten. Sein »Schmierfett« aus modifizierten Fullerenen behielt seine Konsistenz; die Kühlsysteme, die er entworfen hatte, um die interne Steuerelektronik vor dem Schmelzen zu bewahren, arbeiteten fehlerfrei. Zu Cyrus’ Überraschung ordnete das Management den Bau eines halben Dutzends dieser Geräte an, obwohl sie mit einem ausgekommen wären.