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Unternehmen CORE

Unternehmen CORE

Titel: Unternehmen CORE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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hinabbeugte; ihre dunklen Augen glänzten vor Tränen. Sie berührte seine Wange. Die Rotoren ratterten, und der Helikopter erhob sich in den Himmel.
     
    Zum Schluß gingen die Israelis aufs Ganze; sie schickten Kampfflugzeuge, um die irakischen Panzer abzuschrecken, sie schickten Jäger, die den Rückzug der Sayeret in den Helikoptern deckten. In der Zwischenzeit veranstaltete die übrige Welt durch den Sicherheitsrat genügend Lärm, um die verärgerten Araber zu beruhigen, genug, um Abfangjäger am Boden und Flugabwehrbatterien schweigen zu lassen, bis die israelischen Flugzeuge und Hubschrauber die Region verlassen hatten, genug, um einen wackeligen Waffenstillstand in dieser blutigen Fehde zu garantieren, in dieser Auseinandersetzung zwischen Verwandten, die seit dreitausend Jahren bestand.
    Ohne auf Widerstand zu stoßen, drangen irakische Verbände in Saltville ein. Viele Leute, die dachten, für Shellabarger und Noramar zu arbeiten, hatten die Luftangriffe unbeschadet überstanden. Acht Stunden später wurden im Salz Massengräber ausgehoben und wieder zugeschüttet. Der Bohrturm war ein rauchendes Trümmerfeld.
    Saltville war eine Geisterstadt. Die Welt draußen kümmerte es nur wenig, Einzelheiten wollte kaum jemand wissen.
     
    Minuten nach dem Abflug wußte Leidy, daß Cyrus noch am Leben war. Reiner Sauerstoff brachte ihn wieder zu Bewußtsein. Er öffnete die Augen und starrte seinen Sohn an, erkannte ihn aber nicht.
    »Dad, ich bin es, Leidy.«
    Cyrus schien über die Information in philosophischer Weise nachzudenken, konnte aber wenig damit anfangen.
    Der Helikopter wurde in rauher Luft hin- und hergeschüttelt. Alle dreißig Sekunden, so schien es, flog eine Staffel Flugzeuge vorbei, um die Dinge am Laufen zu halten.
    »Ich bin es, Dad, dein Sohn.«
    Dann streckte Cyrus seine Hand aus. Mißtrauisch blickte er auf die intravenösen Schläuche, die ihn umgaben, und legte seine trockenen Finger auf Leidys Arm. »Hallo, Junge.«
    Er war kein Junge mehr, er war ein Mann in mittlerem Alter, aber niemanden verwunderte es, als er zu weinen begann und nicht mehr aufhören konnte.
     
    Leidy hörte nicht auf zu weinen, bis ihm jemand eine Nadel in den Hintern rammte. Zwölf Stunden später wachte er in einem Krankenhausbett auf, die nächsten zwei Tage lag er dort, ohne sich zu bewegen.
    Er hatte eine lange Reise hinter sich. Er war irgendwo anders. Er rührte sich nicht, um zu essen oder zu trinken; er wollte oder konnte seinen Mund nicht öffnen. Sie mußten ihm einen Tropf an den Unterarm legen, sie ließen eine Bettpfanne unter ihm, da er auf seine Körperfunktionen nicht mehr achtete. Er redete nicht, zu niemanden – nicht mit den Offizieren, nicht mit Marta, nicht mit den Ärzten oder den Schwestern, selbst, als sie ihm sagten, daß sein Vater sich in einem Zimmer einen Stock tiefer befand.
    Marta kam jeden Morgen, blieb einige Minuten und ging dann wieder. Am dritten Morgen, an dem sie kam, setzte sie sich neben sein Bett, starrte ihn an und sagte: »Ich fliege heute nach Texas zurück. Ich habe gehofft, mit dir vorher noch reden zu können.«
    Er bewegte seinen Kopf. Seine Augen wurden langsam klar, er schaute sie an und sagte, als ob er eine Unterhaltung wieder aufnehme, die er nur wenige Sekunden vorher abgebrochen hatte: »Ich brauche Zeit zum Nachdenken.«
    Sie war wie vom Schlag gerührt, erholte sich aber schnell. Sie sagte: »Das brauchen wir alle hin und wieder.«
    Der Satz rollte eine Weile in seinem Kopf hin und her. Dann brachte er einen weiteren Satz heraus. »Ich liebe dich, Marta.«
    Tränen rannen aus ihren Augen. »Du bist auch ganz okay.«
    »Okay?« Er schniefte. »Warst schon immer ein hartes Weib.«
    »Das bin ich.«
    »Wie geht’s meinem Dad?«
    »Er schläft viel. Er möchte vielleicht mit dir reden.«
    Leidy antwortete nicht. Sein Blick glitt von ihr weg, hin zum hellen Fenster.
    »Verlaß dieses Zimmer nicht«, sagte sie harsch. Sein Blick kam zu ihr zurück und fixierte ihre Augen. Sie lachte, ein kleines müdes Lachen. »Ich meinte, außer auf deinen Beinen.«
    »Was, zum Teufel, soll ich ihm sagen?« flüsterte er.
    »Mach dir darüber keine Gedanken.« Sie schüttelte den Kopf. »Geh einfach rein und setz dich neben ihn. Es wird dir schon etwas einfallen. Oder ihm. Er ist ein besserer Gesprächspartner, als ich gedacht habe.«
    »Du mußt gehen?« fragte er.
    »Einige Dinge sind zu erledigen. Ein Vulkan ist auszublasen. Falls das nicht klappt, ein neues Büro zu suchen.«

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