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Unternehmen CORE

Unternehmen CORE

Titel: Unternehmen CORE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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sich durch die weniger erzhaltigen Vorkommen und Halden. In den dreißiger Jahren durchstöberten Männer, die sonst keine Arbeit finden konnten, die alten Halden, spülten sie, falls Wasser zur Verfügung stand, mit einer Zyanidlösung und nahmen das Gold und Silber, das sie dabei auswuschen. Mitte der sechziger machten sich die Schürfer mit Hilfe von Satellitenfotos an die Minen, die man bislang übersehen hatte.
    Mit sechzehn studierte Leidy weder Wirtschaft noch ein technisches Fach. Was er über Geologie, Chemie, Metallurgie wußte – es war nicht besonders viel –, hatte er im Haus seines Vaters aufgeschnappt; hatte es aus den Büchern in dessen Arbeitszimmer, von der Post, in die er einen Blick warf, von Telefongesprächen, bei denen er mithörte. Gerade genug, um draußen in der Wüste mehr als wütend zu werden, als er den Claim eines neuen Schürfers erblickte, der oben an einem mit Salbei bewachsenen Berghang Holzpflöcke mit orangefarbenen Plastikbändern um eine neunzig Jahre alte Mine gesteckt hatte – wie es oft blauäugige College-Geologen tun, die glaubten, damit ein oder zwei Dollars hinzuverdienen zu können. Leidy riß die Pflöcke aus. Nicht, weil er die bereits ramponierte Landschaft retten wollte. Er fühlte sich einfach betrogen.
    Er traf sich nicht oft mit Mädchen. Am Promotionswochenende seines Junior-Jahres allerdings unternahm er einen Versuch. Leidy sah nicht schlecht aus; er war groß, drahtig, mit schönen dunklen Haaren, die er bis zur Schulter trug. Das Mädchen aber gab ihm einen Korb. Als er sie nach dem Grund fragte, sagte sie, er sehe aus wie ein Hippie und sie wolle ihre Unterstützung für unsere Jungs in Vietnam zeigen. Für Leidy kam es sehr überraschend, daß ihm vorgeworfen wurde, er habe irgendwelche politischen Ideen. Vietnam interessierte ihn nicht die Bohne, weder seine noch ihre Jungs; hätte man ihn gefragt, hätte er geantwortet, er habe keine Vorbilder. Also schickte er das Mädchen zum Teufel und lieh sich den Buick seiner Mutter, ohne vorher darum zu fragen, und fuhr diese Nacht einige hundert Meilen hinunter zum Ichthyosaur State Park im Shoshonen-Reservat.
    Ichthyosaurier hatten die Gestalt von Delphinen oder Thunfischen und die Größe von Killerwalen, waren allerdings Echsen – Fischechsen, so lautete ihr Name, wie er wußte. Ihre fossilen Skelette lagen an diesem Ort aufeinandergestapelt – in einem Canyon zwischen Wacholder und Kiefern, der Staat hatte ein Blechdach darübergesetzt –, wo sie vor Millionen von Jahren an einem schlammigen Strand gestorben waren, zu einer Zeit, als der größte Teil von Nevada unter Wasser lag und der Himmel erfüllt war von kreisenden Pterosauriern.
    Leidy war einmal bereits hier gewesen, die roten Skelette hatten sich ihm eingeprägt. Er mochte fossile Knochen – sein Zimmer zu Hause war voll davon –, und er machte sich viel Mühe, herauszufinden, wie die Welt damals, aus der sie stammten, ausgesehen hatte. Die Nacht verbrachte er alleine auf dem Picknickplatz im Auto seiner Mutter; er träumte von riesigen Fischechsen, die wie verwirrte Delphine in der Brandung strandeten, er sah sie dort sterben, die erwachsenen Tiere neben den jungen, hoch und trocken aufragen, unter einer wahrscheinlich sehr viel heißeren Sonne. Er träumte von wogenden Stürmen, die ihre eng zusammengepreßten Leiber mit Schlamm bedeckten, Schicht auf Schicht, jahrtausendelang, und er träumte von Auffaltungen und Erosionen, die sie nach oben drückten und die Ablagerungen der Äonen wieder abtrugen, bis auf ihre blanken Knochen, die blanken Knochen der Vergangenheit.
    Leidy erwachte; die Luft war kühl, die Sonne heiß und klar. Seine Zunge fühlte sich an wie nasse Wolle. Das Frühstück bestand aus gewürztem Schinken, den er mit seinem Schweizer Armeemesser aus der Dose schälte und mit einem Schluck warmen Schlitz Malt Liquor hinunterspülte. Er warf den Abfall hinaus und drang mit dem Buick in das Shoshonengebiet ein. Er fuhr auf einem Feuerweg den Canyon hinauf, bis Felsblöcke, die höher waren als seine Stoßstange, den Weg versperrten. Er wünschte sich, seine Mutter wäre gestern nicht mit dem Vierrad-Jeep seines Vaters unterwegs gewesen; den hätte er nun zu gerne gehabt – so fuhr er vom Weg runter, stieg aus und machte sich zu Fuß auf. Jemand war hier weiter gekommen als er; er stieß auf die frischen Spuren von Autoreifen, die hinauf- und hinabführten.
    Eine Stunde lang folgte er den Spuren und stieß auf eine kleine Mine,

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