Unternehmen CORE
des Canyon. »Solange die Lava noch heiß war, konnte sich der Magnetit darin nicht orientieren; es ging alles durcheinander, in alle Richtungen. Als sich die Lava dann abkühlte, richteten sich die magnetischen Teile wie Stabmagneten aus – wie eine Kompaßnadel. Als sich der Stein erhärtete, zeigten alle in die gleiche Richtung, in die Richtung des damaligen Magnetfelds der Erde«, sagte er. »Dorthin zeigen sie noch immer. Ein fossiler Kompaß.«
Er nahm den Kettensägenmotor und steckte einen der diamantbesetzten Stahlzylinder auf. Er säuberte die Felsoberfläche vom Dreck und startete mit einigen Zügen am Anlasserseil den Motor. Als er den Bohrer an den Felsen setzte, pumpte Leidy Wasser aus der Kanne, wie Mendez es ihm gezeigt hatte. Mendez mußte den Grund dafür kein zweites Mal erklären; Leidy wußte, daß sich der »fossile Kompaß«, wenn der Stein zu heiß wurde, neu ausrichten würde.
Der Motor heulte auf, Felssplitter besprenkelten ihre Jeans. Nach einigen Minuten harter Arbeit und vergossenen Schweißes zog Mendez den Bohrzylinder heraus. Er setzte eine Manschette auf die Bohrung, auf der ein Gerät angebracht war, das einer winzigen Sonnenuhr glich; dann drehte er die Manschette in die Richtung, in der der Schatten des Gnomons deutete. Er blickte zur Uhr und hielt die exakte Uhrzeit in seinem Notizbuch fest. Er brach die Stange ab, holte sie aus dem Felsen und verstaute sie in seiner Leinwandtasche.
Sie machten am gleichen Ort ein halbes Dutzend Bohrungen, mit dem Sonnenkompaß stellten sie jeweils die genaue Position der Sonne fest und notierten sorgfältig die Zeit – Mendez sagte, er brauche die Ephemeris, um die genaue Position der Sonne bestimmen zu können, aber das komme später –, und mit einem Magnetkompaß bestimmten sie die Lage des gegenwärtigen Magnetfeldes.
»Schau, nach dem Kompaß liegt in dieser Richtung Norden.« Sie standen am Fuß eines steilen Abhangs. »Aber hier, vor fünfzehn Millionen Jahren, hätte er in diese Richtung Norden angezeigt.«
»Das ist Süden«, sagte Leidy.
Bevor sie gingen, sammelten sie einige Gesteinsbrocken, die Mendez später in seinem Labor für Gegenproben anbohren wollte. Er führte Vermessungen durch, schrieb und zeichnete in sein Notizbuch. Schließlich überreichte er Leidy den Kettensägemotor und sie kletterten wieder hinauf.
Mendez trat Basaltstücke in der Größe von Ziegelsteinen los; Leidy, der sich hinter ihm emporkämpfte, wich der Lawine aus.
»Nun, hier oben würde der nach Norden weisende Pol unserer alten Kompasse – der natürlich ein magnetischer Südpol ist, anzeigen, daß in dieser Richtung Norden liegt.« Mendez wies auf die trockene, sonnenbeschienene Ebene, die sich hinter ihnen nach Osten erstreckte.
Unter erneutem Aufheulen und dem Gestank des Benzinmotors holten sie eine weitere Gesteinsprobe – und dann weitere sechs, alle aus derselben Schicht. Jede Stange markierte einen Datenpunkt. Leidy schien es, daß jeder Datenpunkt mit enorm viel Lärm und Schweiß verbunden war.
Sie kletterten höher. »Und manchmal ist die magnetische Nordrichtung auch hier«, sagte Mendez und zeigte direkt auf den Boden, »oder wieder dort unten im Süden. Oder hier, oder dort.«
Sie sammelten und notierten weitere Gesteinsproben und kletterten weiter, bis sie den Rand erreicht hatten. Als sie sich aufrichteten, erkannten sie, eine halbe Meile entfernt, ein Reh mit ihrem Kitz; sie standen neben einer mächtigen knorrigen Kiefer und starrten regungslos auf den Mann und den Jungen.
»Hier oben, zwei Millionen Jahre später – etwa vor dreizehn Millionen Jahren – liegt Norden ungefähr in der Richtung, an die wir uns heute gewöhnt haben. Gib mir das Ding, ich nehme trotzdem eine Probe.«
Er tat es, mit noch mehr Lärm und noch mehr Schweiß.
»Es dauerte zwei Millionen Jahre, bis sich die Richtung des Magnetfelds geändert hat?« fragte Leidy.
»Gute Frage. Manchmal ging es schneller – an manchen Stellen sind die Schichten sehr dünn. Betrachtet man sie sich genauer, kann man feststellen, daß sich die Pole schnell drehten, bevor sie sich ganz abkühlten. Einige Grade im Monat, in der Woche – vielleicht sogar an ein oder zwei Tagen! Aber sie kamen einige Millionen Jahre nicht zur Ruhe.«
»Warum aber ändert sich das Magnetfeld überhaupt?« fragte Leidy, der Basaltsand von den Knien seiner Jeans klopfte.
»Das weiß niemand. Die Antwort liegt irgendwo da unten, im Erdkern.« Mendez zeigte auf die Erde. »Man könnte
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