Unternehmen Delphin
– weil ich ein paarmal in Honolulu Station gemacht habe. Nein, weil es mein erster richtiger Urlaub ist.«
»Und Waikiki gefällt Ihnen?«
»Das weiß ich noch nicht. Ich bin eben erst angekommen.« Der Mai-Tai wurde serviert und war mit Frangipanis garniert. Ihr betörend süßlicher Duft war das erste, was er wahrnahm, als er das Glas hochhob und mit den Lippen nach dem Strohhalm angelte. »Wenn hier alles so zauberhaft ist wie diese Blüte …«
»Waikiki ist eine Industrie geworden.« Sie nippte an dem Cocktail und warf einen langen Blick über den Glasrand zu Finley. »Ich weiß nicht, wieviel Hunderttausende jedes Jahr in den Hotelburgen wohnen und sich in den durchaus nicht sauberen Sand legen. Aber Hawaii ist das nicht.«
»Wo ist das echte Hawaii?«
»Es gibt einsame Küsten, Buchten zwischen Felsen, Sandstrände wie vor Hunderten von Jahren – aber dahin fährt kein Touristenbus, kein Taxi, kein Jeep. Man muß die letzten Paradiese kennen.«
»Sie kennen die letzten Paradiese?«
»Einige. Die Nanakuli Beach. Ein Strandstück bei Kawailoa. Eine Felsenbucht bei Ohiki-Lolo …«
»Das klingt wie eine geheimnisvolle Musik«, sagte Finley. »Ohiki-Lolo … Kawailoa … Wer solche Namen hat, muß einfach schön sein …«
»Ich heiße Nuki-na-mu.«
»Das klingt wundervoll. Wie nüchtern wirkt dagegen James Finley.«
»Zwei Welten, James. Aber jede für sich ist interessant.«
»Ihre bestimmt. Wie redet man Sie an?«
»Sie können einfach Nuki sagen.« Sie schenkte ihm ein Lächeln, das rätselhaft in ihm zu brennen begann. Nuki-na-mu, dachte er. Wie könnte sie anders heißen? Das ist ein Zauberwort, so unwirklich schön wie sie selbst. Nuki – man kann es singen oder mit angehaltenem Atem flüstern. Nuki … das ist der süße Duft von Frangipani.
»Wie lange haben Sie Urlaub, James?«
»Eine Woche.«
»Unmöglich.«
»Was ist daran unmöglich?«
»Wie kann man Sie eine Woche lang nach Hawaii schicken, wo ein ganzes Leben nicht ausreicht, um auch nur einen Teil der Schönheit zu erfassen. Eine Woche … das ist ja fast eine Folter. Ehe Sie etwas davon ahnen können, müssen Sie schon wieder weg. Was wollen Sie in einer Woche auf Oahu tun?«
»Ich dachte an Schwimmen, Faulenzen, Essen, Trinken und Nachdenken.«
»Worüber nachdenken, James?«
»Ach Gott, Nuki …« Finley sog wieder an seinem Strohhalm und genoß den Mai-Tai. »In einem Menschenleben gibt es eine ganze Menge, über die man nachdenken kann und nachdenken sollte.«
»Sie sind Philosoph, James?« Ihr Vogelstimmchen hatte einen jubelnden Klang.
»Alles – nur das nicht, Nuki!« Finley lachte trocken. »Aber man kommt ins Grübeln, wenn man allein ist.«
»Sie sind doch nicht allein.«
»Völlig allein.«
»Sie übersehen mich einfach?«
Finley atmete tief. Plötzlich spürte er, wie sein Herz das Blut durch die Adern pumpte. »Wenn Sie es so betrachten, Nuki …« Er sah sie groß an. »Sagen Sie jetzt nicht, Sie seien auch allein.«
»Warum nicht?«
»Weil es unglaubwürdig wäre. Eher stürzt der Niagara den Felsen hinauf. Eine Frau wie Sie kann nicht allein sein.«
»Das stimmt.« Sie warf wieder ein Lächeln über ihn. »Ich bin in Begleitung eines James Finley. Beruf Philosoph …«
»Irrtum! Beruf: Zoologe, Meeresbiologe und Tierpsychologe.«
»Nein!« Ihre leicht geschlitzten schwarzen Augen starrten ihn an. »Sie dressieren Löwen und Tiger?«
»Etwas weniger bissig. Ich arbeite mit Delphinen.«
»Das habe ich gesehen!« rief Nuki-na-mu begeistert und klatschte in die Hände. »Im Fernsehen und hier im Aquarium. Es war so lustig.« Sie wurde wieder ernster und betrachtete Finley mit forschenden Blicken. »Sie trainieren solche Delphine, James?«
»So ähnlich.«
»Was heißt das?«
»Das kann man nicht so bei einem Mai-Tai erklären, Nuki«, wich Finley aus. »Trinken wir noch einen?«
»Hier an der Bar?«
»Wissen Sie einen schöneren Platz?«
»Haben Sie einen Wagen?«
»Einen Leihwagen …«
»Es gibt da ein kleines, wunderschönes Lokal an den Korallenriffen von Kupikipikio Point …«
»Welch ein Wort! Wie heißt das Lokal?«
»Kupikipikio …« Ihr helles Lachen schnitt tief in sein Herz. Um sich vor der Verführung zu retten, bemühte sich Finley, intensiv an Helen zu denken. Aber es gelang ihm nicht recht. Nuki-na-mus Gegenwart war stärker. »Sprechen Sie es nach, James.«
»Das wird mir nie gelingen. Aber, zum Teufel – wir fahren hin. Jetzt gleich!«
»Warum zum Teufel?!«
»Ich
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