Unternehmen Delphin
dann erzählte Clark, er sei ein Tiefbau-Ingenieur aus Memphis und deshalb nach Honolulu gekommen, weil seine Firma eine neue Straße hinauf zum Berg Puu Kapu baue. Eine schluchtenreiche Sache, wie er erklärte, mit vielen Brückchen; da gäbe es eine Masse zu berechnen. Er habe, wenn man das richtig einschätze, noch über ein Jahr auf Oahu zu tun. Es könnte allerdings auch sein, daß es länger dauere, denn da sei noch ein Projekt in Pearl Harbour, für die US-Army, im Fort-Kamehameha-Distrikt, in der Nähe des Army-Golfplatzes, im Gespräch – der Auftrag sei jedoch noch nicht endgültig erteilt.
Angesichts dieser Erklärung saß Nuki-na-mu zunächst auf dem Trockenen. Sie hatte vieles erwartet, nur das nicht, daß Clark seine Umgebung mit Lügen pflasterte. Dabei durfte sie nicht einmal zeigen, daß sie ihn durchschaute; vielmehr mußte sie die Erzählungen Clarks vorläufig schlucken und so tun, als seien sie helle Wahrheit.
»Sie sehen«, sagte Clark forsch, »zumindest eine Zeitlang bin ich Honolulu treu. Dagegen wird Ihr Urlaub bald herum sein, Miß …«
»Ich heiße Nona Kaloa«, sagte sie; es war einer ihrer vielen erfundenen Namen. »Mein Vater – er war Chinese – nannte mich aber auch Li Yaou.«
»Was ist Ihnen lieber als Anrede?«
»Was Ihnen gefällt, Mister …«
»Clark! Und jetzt kommt es knüppeldick: David Abraham!« Clark grinste breit. »Bis zu meinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr habe ich meinem Vater das sehr übelgenommen. Er war Küster in unserer Kirche in Memphis, sang außerdem im Kirchenchor mit – zweiter Baß –, sammelte für ein Gemeindekinderheim und träumte sein ganzes Leben davon, in den Himmel zu kommen. Mein Name David Abraham sollte ihm dabei helfen …«
»Und ist er in den Himmel gekommen?«
»Sicherlich. Er kann ja von dort keine Nachricht geben, aber wir alle glauben es. Als er starb, war ich fünfundzwanzig, und da erkannte ich, daß ich ihm nicht mehr grollen durfte.«
»Ich finde Abraham wundervoll«, sagte Nuki-na-mu und schoß einen Blick ab, den Clark stehend nur deshalb überlebte, weil er an der Bartheke lehnte. »Wie nennen wir uns also?«
»Ich sage Nona zu Ihnen.«
»Und ich Abi, einverstanden?«
»Ich nehme von Ihnen jeden Namen an, Nona. Was machen wir jetzt?«
»Etwas ganz Verrücktes, Abi!«
»Dafür ist Clark immer gut. Fahren wir hinaus nach Chinatown und essen im ›Haus der tausend Düfte‹.«
»Jetzt noch?«
»Die Nacht fängt ja erst an, Nona!«
»In Chinatown müssen Sie mich Li Yaou nennen.«
»Abgemacht. Aber es kann sein, daß mir bis Chinatown noch ein anderer Name einfällt, der mit Darling beginnt …«
Es war klar, daß Clark die Morgensonne nicht in seinem Zimmer 392, sondern im Zimmer 376 erlebte. Es war ein Erwachen, wie es schöner nicht sein konnte: Nona Kaloa lag wie im Paradies neben ihm, und wie im Paradies fühlte sich auch Clark. Was ihm nicht gefiel, war der bleischwere Kopf, den er hatte, und das Gefühl, in seinen Hirnadern flösse Sirup.
Er erinnerte sich, daß er in Nonas Arme gestürzt war wie in einen Vulkan – aber dann setzte seine Erinnerung aus. Ich muß das verdammte Saufen lassen, dachte er. Dieser chinesische Schnaps, die Hölle ist er. Da hat man die schönste Frau der Welt neben sich und schläft, bis zur Zunge besoffen. Ist das eine Schande!
Nuki-na-mus Niederlage war vollkommen. Auch als der Betäubungstrank wirkte und Clark in ihren Armen einschlief, konnte sie im Sinne ihres Auftrags keinen Erfolg verbuchen. Seine Anzugtaschen gaben keine Geheimnisse her, in seiner Reisetasche war nur Urlaubsgepäck. Sie kontrollierte alles gründlich, aber es gab nichts, was man Tulajew hätte melden können.
Noch sechs Tage und Nächte, dachte Nuki-na-mu und betrachtete Clarks schwarzen, glänzenden Körper. Er war sehniger als Finley, größer, knochiger. Finley war muskulöser, stärker. Noch sechs Tage … es mußte doch möglich sein, Clark mürbe zu machen.
Sie duschte sich heiß und dann kalt und legte sich wieder an Clarks Seite auf das Bett. Welch ein Mistleben, dachte sie. Nur immer das eine … Man sollte jedem Mann hinterher die Kehle durchschneiden.
Die Tage und Nächte vergingen – und Clark blieb nach wie vor dabei, Tiefbau-Ingenieur aus Memphis zu sein und auf Oahu eine Straße in die Berge zu bauen. Es gab trotz vieler Kreuz- und Quergespräche keine Möglichkeit, ihm etwas anderes zu entlocken. Eine totale Niederlage!
Aber Dr. Clark war, als er am Sonntag wieder zurück nach
Weitere Kostenlose Bücher