Unternehmen Grüne Hölle
abzunehmen.“
„Weshalb?“
„Er betont bei dir die Breite und
verkürzt fürs Auge die Länge. Außerdem passen lila Punkte nicht zum roten
Pulli.“
„Du bist ja nur neidisch, weil an
deinem dünnen Hals jeder Schal flattert. Vier Damen haben mir Komplimente
gemacht, wie schick ich am Kragen sei.“
Tim hatte seine Klamotten hereingeholt
— trotz Kaltrauchausdünstung.
Es war besser, sich hier anzuziehen.
Draußen konnten die Mädchen auftauchen, falls sie noch mal in die Küche
wollten, um sich ein Glas Milch zu holen.
Elisas Zimmer, wo auch Gaby nächtigte,
lag nur zwei Türen entfernt.
„Laß dich nicht anbetteln“, lachte
Karl. „Falls sie noch da sind.“
„Im Gegenteil, Karl! Jeder kriegt eine
Mark. Dann sind sie mir gewogen und werden gesprächig.“
„Daß ich’s nicht vergesse! Je
fünf-Mark-fünfzig kriege ich noch von euch. Für die Blumen, wie ich sagte. Gaby
hat ihren Anteil schon erstattet.“
„Teuer, teuer!“ seufzte Klößchen.
„Partys sollten nur im Sommer stattfinden. Da kann man die Blumen im Vorgarten
des Gastgebers pflücken. Und hat wenigstens die Garantie, daß man seinen
Geschmack trifft.“
„Verfressen und geizig!“ stellte Tim
fest. „Du entwickelst dich zum Monster. Am Buffet war keiner so oft wie du.
Wenn du sonst auch zwei linke Hände hast — hochbeladene Teller, die balancierst
du meilenweit und verlierst keinen Krümel. Aber wegen der Blumen nölen. Schäm
dich!“
Grinsend schwenkte Klößchen seine
Schoko-Tafel. „Satt bin ich nicht geworden — wie du siehst.“
16. Komplicen
Die Etagentür war verschlossen.
Doch in der Küche wurde noch
geklappert.
Köchinnen und Serviermädchen räumten
auf, futterten Reste und tauschten kichernd Beobachtungen aus.
Offenbar kümmerten sie sich auch um
angebrochene Champagnerflaschen, denn es ging lustig zu. Am liebsten hätten sie
Tim eingeladen, als er in die Küche kam.
„Meine Schlaftabletten sind in der
Fahrradtasche“, erklärte er mit todernstem Gesicht. „Hab sie vergessen. Ich muß
noch mal runter.“
„Schlaftabletten?“ fragte die dickere
der beiden Köchinnen. „So jung — und schon das? Du siehst doch ganz gesund
aus.“
„Täuscht leider“, meinte Tim. „Nachts
wälze ich mich schlaflos in den Federn, weil mich die schulischen Sorgen nicht
loslassen. Ihr Erwachsenen ahnt ja nicht, welchem Streß wir Schüler ausgesetzt
sind. Jeden Morgen aufstehen. Jeden Tag Unterricht. Fernen. Wachsen. Älter
werden. Manchmal wünschte ich, ich wäre als 18jähriger geboren. Da wäre ich
schon... oder bald fertig mit der Penne. Und könnte endlich ruhig pennen.“
Die Mädchen kicherten.
„Ich glaube, er verulkt uns“, sagte die
etwas schlankere Köchin — und knuffte Tim in die Rippen.
Der Lift brachte ihn hinunter.
Als er auf die Straße trat, heulte der
Wind um die Ecke, wirbelte eine Spirale aus Dunst vor sich her und riß eine
reichbebilderte Tageszeitung aus dem Papierkorb am Laternenmast.
Er blickte hinüber.
Ein Wagen fuhr mit hoher
Geschwindigkeit vorbei.
Aber die Grünanlage war leer.
Er spürte die Enttäuschung wie
Sodbrennen im Magen, überquerte trotzdem die Fahrbahn und besichtigte die
Stelle, wo sich die drei Typen vorhin niedergelassen hatten.
Ihre Sitze, die umgestülpten
Apfelsinenkisten, waren noch da. Eine leere Schnapsflasche lag im herbstwelken
Gras.
Schade! dachte er. Falls was zu sehen
war, sind die drei die einzigen Zeugen.
Nachdenklich trat er den Rückweg an.
Das Serviermädchen, das ihn einließ, schwankte
etwas und schielte bereits.
„Mehr sollten Sie nicht trinken“,
meinte Tim. „Gute Nacht.“
Gespannt erwarteten ihn seine Freunde.
„Sind weg“, berichtete er. „Aber ich
entsinne mich, daß einer der Typen einen fuchsroten Vollbart hat. Der muß doch
zu finden sein. Morgen grasen wir die Penner-Szene ab. Gebongt?“
Klößchen zeigte keine Begeisterung.
Karl nickte. „Vielleicht bringt’s was.
Ist ja unsere einzige Spur.“
*
Der Morgen graute.
Harry Zatofsky hatte nur wenig
geschlafen. Die Aufregung trieb ihn aus den Federn.
In der Küche schlürfte er seinen
schwarzen Pulverkaffee. Gehüllt in einen lappigen Bademantel, verließ er das
Haus, um vom Gartentor, wo die Zeitungsröhre angebracht war, das abonnierte
Mitteilungsblatt zu holen.
Als er zurück schlurfte, traf ihn der
Schreck.
Das Garagentor war aufgebrochen.
Metallteile lagen auf dem Boden. Der Griff stand schief.
Mein Volvo! schoß es ihm durch den
Kopf.
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