Unternehmen Hongkong
Stunden
Vorsprung rechnen, vielleicht sogar mit achtzehn, wenn wir Glück haben .«
Corvo strich sich mit dem
Zeigefinger über seinen dünnen Schnurrbart. »Warum ist Vorsprung so wichtig,
Kane? Sie wissen doch jetzt, wohin wir fahren: in die Kwan-Po-Bucht, und sie
brauchen uns nicht unmittelbar zu folgen .«
»Sehen Sie sich doch mal Ihre
Karte an, mein Freund«, schlug ich vor. »Dann werden Sie feststellen, daß die
Bucht recht groß ist. Auf den Gewässern dort wimmelt es von Dschunken. Da
treiben sich mindestens tausend Fischerboote herum. Wenn wir also erst in der
Bucht sind, ohne verfolgt worden zu sein, sind für die anderen die Chancen, uns
zu finden, sehr gering .«
Tess zündete sich eine
Zigarette an. »Ich verstehe, Andy. Aber wenn sie wissen, daß wir abgefahren
sind, werden sie einfach auf unsere Rückkehr warten .«
»Klar«, stimmte ich zu, »aber
wir haben tausend Möglichkeiten, um uns da aus der Affäre zu ziehen. Ich habe
in Makao einen Bekannten, der ein Privatflugzeug
besitzt. Wenn genügend Geld für ihn herausschaut, fliegt er jeden und alles an
jeden gewünschten Ort. Wegen der Rückkehr mache ich mir keine Sorgen. Es kommt
nur darauf an, daß wir in die Bucht gelangen ohne einen Verfolger auf den
Fersen .«
»Angenommen, sie besitzen ein
Boot, das wesentlich schneller läuft als unsere Dschunke«, meinte Corvo. »Dann
können sie doch den Vorsprung aufholen .«
»Das könnten sie«, bestätigte
ich. »Aber Sie kennen die chinesische Küste nicht. Die Fischerei gehört nun
einmal zum Leben in China. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß es an der ganzen
Küste von Dschunken wimmelt. Leungs Dschunke sieht genauso aus wie Millionen
andere. Wenn wir etwa drei Stunden von Hongkong entfernt sind, tauchen wir in
der Menge unter, und niemand, der uns nicht unmittelbar gefolgt ist, kann uns
entdecken .«
Die beiden sahen sich einen
Augenblick an, dann nickte Corvo.
»Na schön«, meinte Tess. »Sie
haben uns überzeugt, Andy. Wann fahren wir ?«
»Seien Sie spätestens um fünf heute nachmittag in meiner Wohnung«, sagte ich. »Was Tess
anbetrifft, ist es einfach. Sie kann mit mir zurückfahren und am besten meine
Hand halten, um den Eindruck zu vermitteln, daß uns nur unser Vergnügen am
Herzen liegt .« Ich sah Corvo an. »Sie müssen allein
kommen. Vergewissern Sie sich, daß Ihnen niemand folgt, wenn Sie sich auf den
Weg machen .«
»Das wird mir nicht
schwerfallen .« Corvo grinste. »Ich kann Ihnen
garantieren, daß ich jeden Schatten spätestens zwei Minuten nach Verlassen des
Hotels abschütteln werde .«
»Wie steht es mit Kleidern ?« fragte Tess.
»Ich habe drei Kuli-Anzüge
besorgt«, berichtete ich. »Die müssen wir anziehen. Wenn ein Chinese auf einer
anderen Dschunke erkennt, daß wir keine Chinesen sind, sitzen wir in der Tinte .«
»Aber ich kann doch so ein Ding
nicht ständig tragen«, jammerte Tess.
»Sie können so viel mitnehmen,
wie in eine große Handtasche geht«, sagte ich grimmig. »Mehr nicht.«
»Ich habe eine Aktentasche«,
meinte Corvo. »Da gilt wohl das gleiche ?«
»Richtig.« Ich blickte auf
meine Uhr. »Charlie hat um fünf das Essen für uns fertig«, sagte ich. »Wie
lange haben Sie die Zimmer hier gemietet ?«
»Für eine weitere Woche«,
antwortete Tess.
»Geben Sie die Zimmer nicht
auf«, riet ich. »Erklären Sie der Hotelleitung nur, daß Sie in den nächsten
Tagen einen Abstecher nach Makao machen und eine
Weile dort bleiben. Haben Sie viel Bargeld bei sich ?«
»Genug«, erwiderte Corvo kühl.
»Ich will’s nicht haben«,
meinte ich säuerlich. »Hinterlegen Sie es im Hotelsafe, ebenso Tess’ Schmuck.
Dann wird man glauben, daß Sie bald zurückkommen, auch wenn das nicht stimmt .«
»Sonst noch etwas ?« erkundigte sich Corvo.
»Ja, eines noch.« Ich grinste
ihn an. »Vergessen Sie Ihre Karte nicht .«
Tess stand auf. »Ich glaube,
ich packe jetzt lieber meine Tasche .«
»Und ich meine Aktenmappe«,
meinte Corvo. »Ich werde um fünf bei Ihnen sein, Kane .«
»Gut«, sagte ich. »Bis dann.«
Tess verschwand in ihrem
Schlafzimmer, während Corvo die Suite verließ und die Tür hinter sich schloß.
Ich steckte mir eine Zigarette an und wartete. Zehn Minuten später tauchte Tess
wieder auf. Sie trug ein eisblaues Kleid aus Shantungseide und schleppte die
größte Handtasche, die ich je gesehen hatte.
6
Vor dem Hotel nahmen wir ein
Taxi und fuhren zurück zu meiner Wohnung. Ich führte Tess ins Wohnzimmer
Weitere Kostenlose Bücher