Unternehmen Hongkong
Bord. Doch kurz bevor der
Morgen des dritten Tages graute, erreichten wir die Kwan-Po-Bucht.
Leung und ich hißten das Segel, und von einer leichten Brise getrieben,
liefen wir in der Bucht ein. Ich ließ Leung am Steuerruder und trat zu Corvo
und Tess, die vorn im Boot saßen.
»Wir sind da«, sagte ich.
»Jetzt müssen Sie Ihre Karte herausholen, damit wir wissen, in welcher Richtung
wir fahren müssen .«
Er nahm ein dünnes,
zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Innentasche seiner Kulijacke und
breitete es sorgfältig aus.
»Wir müssen zur Nordostecke der
Bucht«, erklärte er. »Auf einem Hügel steht ein Tempel, der uns als Wegweiser
dienen kann .«
»Okay«, versetzte ich. »Mal
sehen, ob wir ihn finden. Sie beide legen sich aufs Deck. Wir müssen ziemlich
nahe an einigen Dschunken vorbei. Wenn sie uns grüßen und Sie nichts erwidern,
dann wird man glauben, Sie schlafen .«
»Bestechende Logik«, stellte
Tess sarkastisch fest.
Ich ging wieder zu Leung zurück
und setzte mich neben ihn. Dann erklärte ich ihm, in welcher Richtung wir
segeln mußten, und mit Hilfe der Karte und der Bojen richteten wir unseren Kurs
aus.
Zwanzig Minuten später
erblickten wir in der Ferne die Silhouette des Tempels, und eine Viertelstunde
danach befanden wir uns ganz in der Nähe der Küste. Ich ging wieder nach vorn.
»Wir sind an der richtigen
Stelle«, erklärte Corvo. Sein Atem ging ein wenig rascher als sonst. »Dove
sagte, an der Küste stehe ein versteinerter Baum. Er warf das Geld an einer
Stelle ins Wasser, die mit dem Baum und dem Tempel durch eine Gerade zu
verbinden ist. Wenn wir also Baum und Tempel in einer Linie vor uns haben, wissen
wir, daß an irgendeiner Stelle auf dieser Geraden das Geld versenkt worden sein
muß .«
»Wenn wir Glück haben«, meinte
ich. »War das Geld vielleicht in einem Betonkasten ?«
»Nein, in einer ledernen
Aktentasche«, erwiderte er kurz. »Aber wasserdicht verpackt in einer Ölhaut.
Unser verstorbener nationalchinesischer Freund wollte offensichtlich kein
Risiko eingehen .«
»Wahrscheinlich liegt es unter
einem Meter Schlamm«, meinte ich trübe.
»Da ist er«, rief Tess
plötzlich.
Ich blickte in der Richtung
ihres ausgestreckten Arms und entdeckte ein paar hundert Meter entfernt auf der
Steuerbordseite den versteinerten Baum. Es war ein großer, knorriger Baum,
dessen starre, kahle Äste sich gegen den blauen Himmel abhoben. Ich schritt
zurück zu Leung und befahl ihm, so nahe wie möglich an der Küste vor Anker zu
gehen, sobald der Tempel und der Baum eine Linie bildeten.
Fünfzehn Minuten später war das
Manöver gelungen, und Leung ließ den Anker hinunter. Er schleifte noch etwa
fünfzehn Meter mit, dann verfing er sich in den Felsen unter Wasser. Das Seil
straffte sich. Wir waren nahe genug an der Küste. Ich blickte hinunter. Das
Wasser war an dieser Stelle etwa acht Meter tief, aber kristallklar. In
Richtung der naheliegenden Küste stieg der Grund rasch an. In unserer unmittelbaren
Nähe lagen keine anderen Dschunken, obwohl sich etwas weiter draußen in der
Bucht unzählige Boote befanden. Ich wandte mich wieder an Leung, der geduldig
auf meine Anweisungen wartete.
»Ich werde jetzt tauchen«,
erklärte ich. »Sie halten Wache. Wenn sich fremde Boote nähern und fragen, was
wir hier tun, dann sagen Sie den Leuten, daß bei uns einer krank ist oder
irgend etwas, damit sie sich nur nicht länger hier herumtreiben .«
»Ja, Mr. Kane«, erwiderte er
ungerührt. »Soll ich den Anzug holen ?«
»Natürlich«, versetzte ich.
Tess kam auf mich zu.
»Wann wollen Sie tauchen, Andy ?«
»Jetzt.«
»Sie haben doch zwei Anzüge,
nicht wahr ?«
»Ja.«
»Das ist gut; ich komme mit .«
»Sie sind verrückt .«
Sie schüttelte den Kopf.
»Keineswegs. Ich bin im
Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und Corvo auch. Sie schwimmen
quietschvergnügt unter Wasser herum und finden vielleicht die Aktentasche, doch
statt sie heraufzubringen, lassen Sie sie unten liegen. Das wäre doch ein
schlauer Schachzug, meinen Sie nicht ?«
»Und dann würde ich Ihnen
sagen, ich könnte das Ding nicht finden, würde Sie nach Hongkong zurückbringen
und später allein zurückkommen, um die Tasche zu holen ?«
»Genau!«
»Aber Tess, mein Liebchen«,
sagte ich ironisch. »Sie haben offenbar kein Vertrauen zu mir ?«
»Sie haben es erraten«,
versetzte sie kühl.
Leung erschien mit den beiden
Anzügen und breitete das Gerät an Deck aus. Ich stieg hinunter, zog mir
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