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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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dir nie erklärt habe.«
    »Vielleicht hätte das nichts geändert. Wir wissen nicht, was hätte geschehen können, wir wissen nur, was passiert ist. Und jetzt sitzen wir hier, ob nach Umwegen oder nicht, aber wir sitzen jetzt hier.«
    »Du bist schlau wie eine Füchsin.«
    »Wie eine was?«
    »Wie eine Füchsin. Das ist so eine Redensart.«
    Sie trank von dem Wein und musterte ihn lächelnd. Sie achtete darauf, daß sie ihm in die Augen sah, als könnte sie dort etwas anderes sehen als das, was er sagte.
    »Also, fangen wir wieder von vorn an«, sagte sie. »Wohin reist du, und wie lange bleibst du weg?«
    »Ich fliege nach Palermo«, sagte er und holte Luft, um dann alles folgende in fast einem einzigen Atemzug hervorzusprudeln. »Ziel des Unternehmens ist es, einmal diejenigen aufzuspüren und zu neutralisieren, die Joar Lundwall ermordet haben, zum andern die schwedischen Geiseln zu befreien und eine Mafia-Bande zu zerschlagen, und ich rechne mit mindestens einem Monat.«
    »Das nenne ich eine genaue Auskunft«, sagte sie nach einigem Zögern; sie hatte in seinen Augen nicht den kleinsten Anflug von Scherz gefunden. »Bedeutet ›neutralisieren‹ das, was ich glaube?«
    »Ja«, erwiderte er, während er beiden Wein nachschenkte, »es bedeutet, sie zu töten.«
    »Aus Rache?«
    »Das natürlich auch, doch dieses Motiv verbirgt sich praktischerweise hinter redlichen legalen Gründen.«
    »Es fällt mir schwer, das zu glauben. So wie du jetzt schon deinen Vorsatz beschreibst, handelt es sich um Mord ersten Grades. Heißt das auch auf schwedisch so?«
    »Nein, bei uns heißt es nur Mord. Auf der nächsttieferen Stufe der Skala heißt es Totschlag, und noch eine Stufe tiefer fahrlässige Tötung. Wir sprechen jetzt jedoch nicht von schwedischem Recht, sondern von italienischem, und da werden diese Nuancen noch verwaschener. Außerdem ist es eine Prognose. Ich beurteile nur die wenig wahrscheinliche Möglichkeit, daß wir diese Ganoven einfangen können, ohne daß sie heftigen bewaffneten Widerstand leisten. Und dann verlieren sie.«
    »Bist du da sicher?«
    »Natürlich. Wir wählen Zeit, Ort und Waffen und sind außerdem besser als die.«
    »Wir?«
    »Ja. Du glaubst doch nicht, daß ich allein in die Stadt reite wie eine Art Clint Eastwood? Wir befinden uns im Krieg mit ihnen, und du verstehst sehr wohl, was ich mit wir meine.«
    »Den Geheimdienst Seiner Majestät?«
    »Genau den.« Sie verstummte, nicht nur, weil sie durch das Hauptgericht - einen marinierten Lammrücken - unterbrochen wurden, das mit allen Schikanen serviert wurde. Es lag etwas grundlegend Unwirkliches in der ganzen Szene. Hier saßen sie mitten in Stockholm, unter ganz normalen schwedischen Restaurantgästen, und unterhielten sich höflich und leise, machten Konversation über Dinge, die niemand in ihrer Umgebung sich in seiner wildesten Phantasie vorstellen konnte. Sie sprachen mit der gleichen Selbstverständlichkeit von Mord wie andere über Banalitäten, so wie jetzt auch Carl, als er der Farbe des Weins soviel Interesse entgegenbrachte.
    »Diese leicht ziegelrote Farbe kommt mit dem Alter des Weins«, erklärte er, als wäre es wirklich interessant. »Cheval Blanc. Der stammt aus St. Emilion, dem größten Weindistrikt im Bordeaux. Aus diesem Grund bin ich diesem Wein gegenüber vielleicht immer ein wenig mißtrauisch gewesen, als sollte man lieber in den kleineren Distrikten suchen, Pomerol, dem kleinsten, oder St. Estéphe, den wir früher immer tranken. Skål. Wovon sprachen wir gerade?«
    »Skål«, sagte sie mechanisch. »Über damals in San Diego, draußen in diesem Hafencafé mit der Aussicht auf Coronado und die Flugzeugträger.«
    »Wieso?« fragte er mit aufrichtigem Erstaunen, da er keinerlei Zusammenhang sah.
    »Erinnerst du dich nicht mehr daran, als ich sagte, hier und jetzt, und du gekniffen hast?«
    »Das ist keine gerechte Beschreibung. Ich hatte damals einen Auftrag, von dem ich dir nie erzählen kann, der aber zum Wichtigsten in meinem ganzen Leben gehört. Das nenne ich nicht gerade kneifen.«
    »Nein, vielleicht nicht. Aber damals habe ich mich jedenfalls darüber lustig gemacht. ›Ein Mann muß tun, was er tun muß‹, du weißt schon.«
    »Ja. Probier mal den Lammrücken. Er ist himmlisch, in Kräutern mariniert, gut abgehangen.«
    »Das Lustige ist aber«, fuhr sie nach einiger Zeit fort, nachdem sie den Geschmack des Lammrückens mit ihrem Gesichtsausdruck bestätigt hatte und langsam und genußvoll weiterkaute,

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