Unternehmen Vendetta
möglicherweise um Waffengeschäfte, folglich um etwas viel Größeres als um Lösegeld für einzelne Entführungsopfer. Und die wütenden Dementis der Regierungen Schwedens und Italiens machten diese Vermutung nicht weniger wahrscheinlich. Überdies schien eine neue Entführung darauf hinzudeuten, daß die Sache eskalierte.
Åke Malm bat seine Stockholmer Redaktion um die Genehmigung, wieder nach Palermo zu fliegen, um dort ein wenig herumzuschnüffeln. Falls man überhaupt irgendwo eine Fortsetzung erwarten konnte, dann dort. In Stockholm glaubte jedoch niemand daran, daß Palermo einen solchen Einsatz lohne. Er müsse zumindest warten, bis etwas Handfestes passiere.
Åke Malm verbrachte eine Stunde damit, bei der Führung der italienischen Streitkräfte alte Kontakte anzurufen. Sein Türöffner war ein pensionierter General, der alles und alle zu kennen schien, die sich bei den italienischen Streitkräften rührten, von Freimaurern und ähnlichen Verschwörern ganz zu schweigen.
Der General hatte versprochen, sich ein wenig umzuhören, und rief schon nach etwa einer Stunde zurück. Er erklärte ein wenig angestrengt, wie es schien, es sei »zu früh«, etwas zu sagen. Man habe ihm jedoch angedeutet, daß in Palermo wohl eine interessante Fortsetzung zu erwarten sei. Mehr lasse sich im Augenblick jedoch nicht sagen.
Åke Malm setzte sich hin, um nachzudenken. Hier war etwas Großes in Gang. Die Frage war nur, was. Seine berufliche Intuition sagte ihm, daß er möglichst schnell nach Palermo fliegen mußte, und der Tip, den ihm der General gegeben hatte, hatte auch in diese Richtung gewiesen.
Åke Malm blätterte nachdenklich in seinem Telefonbuch, fand eine alte Telefonnummer, die des klassischen Mafia-Hotels, zögerte kurz und wählte dann die Nummer, um ein Zimmer zu bestellen.
Als am anderen Ende abgenommen wurde, kam ihm ein Impuls aus dem journalistischen Rückenmark. Er bat, mit Fregattenkapitän Hamilton verbunden zu werden. Es dauerte eine Weile, worauf er die Nachricht erhielt, bei Fregattenkapitän Hamilton melde sich niemand, und er sei vermutlich nicht auf seinem Zimmer. Man werde ihm natürlich eine Nachricht ins Fach legen.
Was Åke Malm betraf, war die Sache damit entschieden. Er buchte sofort ein Zimmer und schlug dann die Nummer der Alitalia nach.
Carl parkte den Lieferwagen in der Hotelgarage, hob seine vollgestopfte Nylontasche heraus und trat zögernd auf die Straße. Es waren eineinhalb Straßenblocks bis zum Haupteingang des Hotels und ein wenig unpraktisch, mit einer schweren Tasche an einer Hand über die Straße zu gehen. Er wuchtete die Tasche in die linke Hand und löste die Pistole ein wenig, die an seinem schweißnassen Rücken klebte. Dann suchte er sorgfältig die Querstraße zur Via Roma ab, die er als erste überwinden mußte. Es sah gut aus. Er ging schnell zu der Kreuzung, sah einen Bus kommen und lief über die Straße, so daß der Bus ihn verdeckte. Nach wenigen Sekunden war er in der Hotelhalle.
Er ging auf sein Zimmer und packte die Ausrüstung aus, reihte die Gegenstände auf dem leeren Bett auf und memorierte einige Funktionen. Alles schien in Ordnung.
Dann legte er sich ein Stündchen auf das leere Bett, neben sich die Pistole, und betrachtete das Zimmer. So wie er jetzt lag, würde er sich mitten in der Schußlinie befinden, wenn jemand die Tür öffnete. Er mußte also künftig in der Badewanne schlafen und eins der Betten so herrichten, daß man einen schlafenden Mann darin vermuten konnte. Das mußte möglich sein. Er ging die Operation des Tages Moment für Moment durch, um Fehler oder Irrtümer zu finden. Er entdeckte jedoch nichts, was anders hätte ablaufen müssen.
Luigi hatte sich sehr gut gehalten, wirklich sehr gut. Angesichts der Tatsache, daß er schon bei seinem ersten Auftrag zum ersten Mal getötet hatte, war sein Auftreten sogar erstaunlich. Es war dennoch am besten, daß Åke und Luigi eine weitere Nacht zusammenblieben, bevor sie sich trennten. Luigi sollte erst anschließend geeignete Orte für ein Rendezvous oder eine Übergabe der Geiseln suchen. Carl grübelte eine Zeitlang darüber nach, was für einen Unterschied es machte, ob man jemanden spontan während eines Feuergefechts erschoß oder ob man es nach sorgfältiger Überlegung mit einem Zielfernrohr tat. Er selbst hatte es noch nie getan, aber Luigi hatte es geschafft. Carl kam zu keiner klaren Schlußfolgerung. Es hängt alles davon ab, wer man selbst ist und wer der Feind.
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