Unternehmen Vendetta
immer noch fünf oder sechs Stunden Vorsprung haben, bevor die Konkurrenten aus Stockholm, Paris oder London ankamen.
Sein Kontaktmann in der Fotoagentur hatte ihm Zugang zum Krankenhaus verschafft, und es war ihnen gelungen, einen Arzt dazu zu bringen, ausführlich über die Schußwunden der beiden erschossenen Picciotti zu berichten. Details dieser Art pflegten in Schweden normalerweise nicht auf so großes journalistisches Interesse zu stoßen wie in Italien. Einige der Angaben deuteten jedoch darauf hin, daß der unkonventionelle schwedische Besucher tatsächlich mit Tötungsabsicht schoß. Derlei ergibt immer ausgezeichnete Schlagzeilen.
Einer der Mörder, der Tote, war nämlich mit zwei Schüssen getroffen worden, die nicht mehr als drei Zentimeter auseinanderlagen. Beide Kugeln hatten das Herz durchschlagen und waren durchs Rückgrat ausgetreten. Der zweite Mann war mit der gleichen Präzision getroffen worden, jedoch mit der vermutlichen Absicht, das Opfer nur zu lähmen. Die Treffer saßen wie bei dem ersten Mann recht nahe beieinander, jedoch in den Hüft und Beckenknochen. Die Operation hatte zehn Stunden gedauert, und es war zweifelhaft, ob das Opfer je wieder normal würde gehen können. Wahrscheinlich würde der Mann für den Rest seines Lebens an den Rollstuhl gefesselt sein, eines Lebens, das er überdies größtenteils im Gefängnis würde verbringen müssen. Es kam in Palermo schließlich nicht oft vor, daß ein Mörder am Tatort verblieb, so daß man ihn verurteilen konnte.
Überdies hatte Åke Malm einen lohnenden Besuch am Tatort gemacht und einen der Kellner gesprochen, der am Vorabend gearbeitet und den gesamten Ablauf mitangesehen hatte. Der Schwede sei einen Augenblick vor dem Auftauchen des Motorrads in dem breiten Eingang des Restaurants aufgestanden, als hätte er gespürt oder im voraus gewußt, was geschehen würde. Am deutlichsten erinnerte sich der Zeuge daran, daß der Schwede noch mit der Kaffeetasse in der Hand dagestanden habe, nachdem er geschossen hatte.
Das war eine vielsagende Zeugenaussage, überdies ungewöhnlich in einer Stadt, in der es Zeugen schon qua definitionem nicht gab. Die Polizei hatte allerdings erklärt, daß es diesmal nicht darum gehe, gegen Verbrecher auszusagen, was gleichbedeutend war mit dem sicheren Tod, lange bevor es zu einem Prozeß kam.
Hamilton hatte seinen potentiellen Mörder ganz einfach hingerichtet. Er hatte kalt auf dessen Erscheinen gewartet und ebenso kalt geschossen, um zu töten. Das war keine schlechte Story.
Der offizielle Sprecher der Carabinieri hatte sich außerdem ebenso unwillig gezeigt, auf Details einzugehen, wie er unwillig gewesen war einzugestehen, es gebe auch nur den geringsten Grund zu Kritik an dem Schweden, dessen Namen man nicht nennen wolle. Es sei ja absolut klar, daß der Schwede in Notwehr geschossen habe. Der Killer habe, was bewiesen sei, eine scharf geladene Maschinenpistole auf den Schweden gerichtet, bevor er selbst getroffen worden sei. In polizeilicher und juristischer Hinsicht sei die Sache damit erledigt. Die Staatsanwaltschaft habe ebenfalls keinerlei Grund gefunden, Kritik an der schnellen Entscheidung der Polizei zu üben, die Ermittlungen wegen eines eventuellen Verbrechens einzustellen.
Was die Gangstermorde im Grand Hotel et Des Palmes angehe, so sei das eine völlig andere Geschichte, in der übrigens noch ermittelt werde. Um alle Mißverständnisse zu vermeiden, habe man die Waffe des namentlich nicht genannten Schweden untersucht und herausgefunden, daß nicht er geschossen habe. Im übrigen gebe es keinerlei Verdacht in dieser Richtung, denn diese Geschichte erscheine eher als interne Auseinandersetzung in einer der bekannteren Mafia-Familien Palermos.
Ein guter Journalist braucht Glück, etwa wie ein guter Torwart, aber Glück kommt nicht nur von allein. Man muß auch Fragen stellen und zumindest selbst das versuchen, was zunächst unmöglich erscheint.
Und wenn im Augenblick etwas unmöglich zu sein schien, dann natürlich die Bestätigung der Story aus dem Mund Hamiltons. Aber wer nicht fragt, bekommt keine Antwort.
Als Åke Malm unten beim Empfang nach Herrn Carl Hamilton gefragt und gesagt hatte, er sei ein Landsmann und Bekannter, wäre er im nächsten Augenblick um ein Haar festgenommen worden. Zwei Polizeibeamte in Zivil hatten ihn plötzlich am Tresen flankiert, ihn gebeten, sich auszuweisen, und überlegt, ob sie ihn zu einem Verhör auf die Wache bringen sollten, waren jedoch
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