Unternehmen Vendetta
Hier in Palermo ist so etwas durchaus in Ordnung.«
»Ja, ich weiß. Aber ich meine, warum haben sie versucht, dich zu erschießen?«
»Darauf kann ich aus offenkundigen militärischen, oder sagen wir lieber polizeilichen Gründen nicht eingehen. Ich kann aber so viel sagen, daß es sich um Konkurrenz zwischen zwei verschiedenen Gangsterbanden handelt. Wir haben sozusagen auch auf der Seite die Bösen und die Guten.«
»Und über die Guten willst du unsere schwedischen Entführungsopfer freibekommen?«
»Kein Kommentar.«
»Du willst auch nicht leugnen, daß es so ist?«
»Kein Kommentar, habe ich gesagt. Du weißt sehr wohl, was das bedeutet. Nächste Frage. Ich habe nicht die Zeit, dieses Interview allzu lang werden zu lassen.«
»Die beiden, die hier im Hotel erschossen wurden?«
»Ja, was ist mit denen?«
»Bist du in die Geschichte verwickelt?«
»Kannst du Informationen sozusagen off the record entgegennehmen?«
»Ich mag so etwas nicht. Aber die Alternative ist natürlich kein Kommentar!«
»Ja. Die Alternative lautet: kein Kommentar.«
»In Ordnung. Was du jetzt sagst, werde ich als, sagen wir, als aus einer gutunterrichteten Quelle in Palermo stammend bezeichnen?«
»Ja, das klingt gut und entspricht außerdem den Tatsachen. Die beiden hier im Hotel wurden nach einer Theorie, mit der die Carabinieri jetzt arbeiten, von einem gewissen Salvatore Carini ermordet. Man nennt ihn den ›Schlächter von Trapani‹, und er hat hier auf Sizilien offenbar eine lange Liste von Verdiensten. Er und die beiden anderen waren von derselben Bande engagiert worden wie die Männer, die mich erschießen sollten. Es war vorgesehen, mich auch diesmal zum Opfer zu machen. Aber dieser Salvatore Carini muß offenbar sozusagen zu den good guys übergelaufen sein. Statt mich zu überfallen, erschoß er die beiden anderen. Die Polizei fahndet jetzt wegen dieser Morde nach ihm. Das kannst du schreiben, darfst mich aber nicht als Quelle nennen.«
Åke Malm überlegte eine Weile, während er seine Notizen beendete. Schweden war also in eine interne Bandenauseinandersetzung auf Sizilien verwickelt, und inmitten dieses Konflikts befanden sich schwedische Geiseln und ein offiziell entsandter Berufskiller aus Schweden. Das war wirklich keine schlechte Story.
»Hast du nicht Angst, sie könnten es wieder versuchen?« fragte er schließlich und gab durch eine Geste zu erkennen, daß er nicht mehr viele Fragen hatte.
»Wenn sie es wieder versuchen, besteht die große Gefahr, daß sie weitere Verluste hinnehmen müssen«, lächelte Carl.
»Dir ist doch bewußt, von welchem Typ Gangster wir sprechen«, sagte Åke Malm verblüfft. »Die begehen hier in Süditalien ungefähr tausend Morde im Jahr.«
»Ja«, entgegnete Carl trocken. »Dessen bin ich mir durchaus bewußt. Sie haben auch einen meiner engen Freunde getötet. Aber damals waren wir unbewaffnet, und das sind wir jetzt nicht mehr.«
»Wir? Seid ihr zu mehreren hier?«
»Kein Kommentar. Damit ist das Interview beendet, wenn du entschuldigst.«
Carl erhob sich, gab seinem Besucher die Hand und machte eine Handbewegung zur Tür.
Als er wieder allein war, legte er sich aufs Bett und starrte eine Zeitlang an die Decke, während er nachdachte. Morgen würde Salvatore Carini in der schwedischen Presse bloßgestellt werden. Italienische Korrespondenten würden sich diesen Leckerbissen nicht entgehen lassen, und damit würde Herr Salvatore übermorgen im Corriere della Sera oder einer anderen landesweit verkauften italienischen Zeitung sein Todesurteil lesen können.
Und Don Tommaso würde glauben, einen Verräter am Hals zu haben. Falls dieser Carini dann noch am Leben war, würde er schön schwitzen müssen, um sich herauszureden.
Es war kurz vor einer neuen vollen Stunde. Carl holte sein Funkgerät hervor und notierte sich, was jetzt geschehen mußte, bevor er mit Luigi Kontakt aufnahm.
Luigi war mit seinem Pick-up wieder kreuz und quer über Land gefahren und nahm seine neuen Befehle mit Erleichterung entgegen, da ihm die Einsamkeit zunehmend auf die Nerven ging.
»Nimm dir so schnell wie möglich ein Zimmer im Grand Hotel et Des Palmes in Palermo«, sagte Carl, »aber selbstverständlich kennen wir uns nicht, wenn wir uns zufällig in der Hotelhalle oder anderswo begegnen. Wir werden weiterhin nur Funkkontakt halten, auch im Hotel.«
Wie Carl schon geahnt hatte, war Luigi nicht mehr unbewaffnet. Er hatte von dem Vorrat an Bord einen Revolver und ein Messer
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